Soso, der Herr Major ist also in Kur. Mit dieser Erklärung für die Abwesenheit der Hauptfigur haben sich ZDF und ORF einigermaßen elegant aus einer Affäre gezogen, für die sie nichts können: Florian Teichtmeister ist wegen des Besitzes pornografischer Darstellungen von Minderjährigen angeklagt worden. Öffentlich bekannt wurde das erst im Januar, beim ORF wusste man aber schon länger von den Vorwürfen, weshalb seine Rolle in der neunten Episode der gemeinsam mit dem ZDF produzierten Reihe "Die Toten von Salzburg", "Schattenspiel", vorsorglich gestrichen wurde. Ganz egal, wie der Prozess ausgehen wird: Major Palfinger wird wohl nicht zurückkehren. Kürzlich sind die Dreharbeiten zum zehnten Film ("Süßes Gift") beendet worden - ohne Teichtmeister.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass zentrale Mitwirkende aus Reihen oder Serien verschwinden. Wenn die Redaktionen ein Herz haben, gibt es dazu eine entsprechende Geschichte, aber oft genug übernimmt einfach jemand anders stillschweigend die Rolle; besonders krass ist das in den "Ostfriesen"-Krimis des ZDF, deren Hauptfigur ab dem siebten Film bereits von der dritten Schauspielerin verkörpert wurde.
Teichtmeister wird jedoch nicht ersetzt, weshalb sich nicht nur für den aktuellen Film die Frage stellt: Kann das funktionieren? Schließlich lebten die früheren acht Episoden nicht zuletzt vom Mit- und Gegeneinander der Ermittler: hier der krachlederne Oberbayer Mur (Michael Fitz), dort der mitunter zu einem gewissen Zynismus neigende Salzburger Palfinger, der seit einem Gleitschirmunfall im Rollstuhl sitzt. Schon allein dieses Alleinstellungsmerkmal machte die Krimis zu einer besonderen Reihe, von den oftmals witzigen Animositäten der beiden Ermittler, die die Kompetenz des anderen nur widerwillig anerkannten, ganz zu schweigen.
Zumindest "Schattenspiel" funktioniert überraschend gut: Die Rolle von Teichtmeisters Mitarbeiterin Russmeyer ist deutlich aufgewertet worden; Fanny Krausz hatte sich ohnehin längst vom Status der Stichwortgeberin emanzipiert. Und was noch wichtiger ist: Die Geschichte ist interessant und ungewöhnlich.
Bei Grabungen im Garten jenes Klosters, in dem Palfingers Bruder (Simon Hatzl) lange als Mönch lebte, ist ein Skelett entdeckt worden. Ein mittelalterliches Fundstück gibt der leitenden Archäologin Schöfferl (Patricia Aulitzky) Anlass zu der Hoffnung, auf die letzte Ruhestätte einer sagenumwobenen bajuwarischen Herzogin gestoßen zu sein; die Dame ist einst angeblich mitsamt einem stattlichen Schatz bestattet worden. Kurz drauf wird ein prinzipientreuer Gottesmann ermordet im vermeintlichen Grab gefunden. Bruder Gereon (Daniel Langbein) hatte der Archäologin sehr weltliche Motive für ihre Leidenschaft unterstellt: "Die Gier ist ein Hund, der Unschuldige beißt."
Die Spur führt allerdings nach Traunstein und somit in Murs Revier: Der Obmann (Francis Fulton-Smith) eines bayerischen Heimatvereins mit patriotisch-völkischem Hintergrund war als Teilnehmer eines Kontemplationsseminars im Kloster und ist am Morgen nach dem Mord überstürzt abgereist. Dafür hat er allerdings eine plausible Erklärung, und ein Alibi hat er auch: Zur nächtlichen Tatzeit weilte er beim Schäferstündchen mit einer Seminarteilnehmerin.
Bis hierher klingt die Handlung nicht weiter originell, aber Maria Hinterkörner, die für die Reihe bereits die Episode "Schwanengesang" (2021) geschrieben hat, bringt eine weitere Ebene ins Spiel, die dem Film einen für einen Reihenkrimi durchaus ungewöhnlichen Auftakt mit spektakulären Bildern beschert: 1944 wird über Salzburg ein britischer Bomber abgeschossen. Der Pilot kann sich mit dem Fallschirm retten; ein Klosterbruder versteckt ihn im Keller. Das entdeckte Skelett stammt zweifelsfrei aus jener Zeit, die beiden Löcher im Schädel lassen auf eine Hinrichtung schließen, die Kennmarke verrät die Identität des Mannes; aber dann wartet das Drehbuch mit einer Überraschung auf, die selbst erfahrene Krimifans verblüffen könnte.
Weil im Zentrum mehr Platz ist, bekommt anders als im letzten Film ("Vergeltung", 2022 im ZDF) Erwin Steinhauer diesmal wieder mehr Raum. Der etwas blasierte homosexuelle Hofrat Seywald führt zudem seine Nichte Livia ein. Die Anthropologin hat entscheidenden Anteil an der überraschenden Wendung gegen Ende; Christina Cervenka wäre eine willkommene Bereicherung für die Reihe. Auch sonst kann sich "Schattenspiel" sehen lassen; die Bildgestaltung ist ohnehin ein Qualitätsmerkmal der Filme. Regie führte wie stets Erhard Riedlsperger.