Der Vorteil der Wanderprediger

Boot mit Kreuz
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"Die Kirche, so schlug es wie ein Blitz in mich ein, ist vielmehr Ereignis Gottes mitten unter den Menschen. Ihre Charakteristik: Unterwegs zu sein", vermittelt Bruder Paulus Terwitte sein Verständnis von Kirche.
Evangelische Mission
Der Vorteil der Wanderprediger
Frischen Wind soll es geben in der Kirche. Aber woher diesen frischen Wind nehmen? Der Kapuzinermönch Bruder Paulus Terwitte schlägt ein biblisches Prinzip vor: Gemeinden könnten sich gegenseitig besuchen, sich gegenseitig prägen und voneinander lernen.

Wenn ein Fernsehsender Kirchen und Klöster darstellt, steigen die Einschaltquoten regelmäßig. Anders als erwartet, ist das öffentliche Interesse der Zeitgenoss:innen für kirchliche Themen und das Glaubensleben groß. Dennoch interessieren sich die wenigsten Mitmenschen dafür, aktiv mitzufeiern, selbst ein lebendiges Glaubensleben zu entwickeln und ein fröhliches Gottvertrauen zu pflegen, das dann wieder in die Welt hinaus strahlt. Warum ist das so?

Die Antwort ist einfach: Weil wir als Kirche uns zu wenig bewegen. Und wenn, dann zu sehr um uns selbst. Ansprechend ist das nicht. Es hat eher den faden Geschmack vom Aufrechterhalten von etwas, was es schon längst nicht mehr gibt. Kolping backt Pfannkuchen – ein Geselle steht jedoch nicht an der Pfanne. Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung sammelt Tannenbäume – Arbeitnehmer:innen sucht man aber vergebens. Die Christliche Arbeiterjugend renoviert das Pfarrheim – wer mitmacht, steht kurz vorm Abitur. Der Pfarrgemeinderat organisiert das Pfarrfest – für das geistliche Wort zur Sitzung werden exakt drei Minuten fünfzig eingeplant. Und, ach ja, die Kirche sucht Mitglieder – vermutlich, weil sie sonst bald schließen muss.

Das schmeckt nicht nach einer Bewegung, die in die Zukunft weist. Die Mitgliedsliste wird leerer und die Liste immer weniger werdender verbandlicher Aktivitäten lässt sich mühelos mit verwaisten pastoralen Aktivitäten verlängern: Die Firmvorbereitung läuft so lange weiter wie bisher, bis sich nun wirklich keine:r mehr "freiwillig" anmeldet; in der Kirche wird zwar noch Hochzeit gefeiert – vorbereitet wird das Paar auf die Ehe durch nicht mehr als sechzig Minuten Gespräch mit einer:m Vertreter:in der Kirche; usw.

Die Kirche erweckt für ihre eigenen Gläubigen den Eindruck, es ginge da vor allem um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einer Gemeinde, zu einer Pfarrperson, zu einer:m Bischöf:in. Das geht so weit, dass es soziale Beziehungsnetze gibt, die sich auch dann noch z. B. Jugendleiter:innenrunde nennen, wenn die Teilnehmer:innen vierzig geworden sind und es gar keine Jugendgruppen mehr gibt. Meine eigene Bekehrung aus dieser Vorstellung erfuhr ich mit siebzehn. Ein Priester erklärte während Besinnungstagen für Jugendliche, was Taufe bedeutet und wie die Kirche sich versteht: Nicht als Staat; nicht als politische Hierarchie und auch nicht als Verein. Die Kirche, so schlug es wie ein Blitz in mich ein, ist vielmehr Ereignis Gottes mitten unter den Menschen. Ihre Charakteristik: Unterwegs zu sein. Ihre Bauten: Nur Niederlassungen. Zelte. Zwischenstationen. Ihr Auftrag: Die hereinbrechende Gottesherrschaft zu empfangen und daraus den Menschen aller Zunge zu verkünden, dass auch sie von Gott gerufen sind. Nicht sich selbst, sondern den Anderen die Nächsten zu sein.

Befremden als Methode frühchristlicher Mission

Den Priester kannte ich nicht. Doch durch ihn ging mir das Entscheidende auf. Er wirkte wie der umherziehende Wandermissionar der Christenheit. Er kommt immer als Fremder in die Gemeinde. Wie der Fremde, der den Jüngern von Emmaus die Augen öffnet: Das ist Methode (griech: methodos = Weg). So wie Menschen nach ihrer Bekehrung mit ihrer Umgebung fremdeln, so brauchen sie ihrerseits Fremde, die in ihre Mitte kommen und ihnen (neu) die Augen öffnen für das, was ihre sozialen und alle anderen irdischen Erfahrungen übersteigt.

Der Fremde kommt von außen als Bote des immer außen stehenden Gottes. Das Eintauchen des Fremden in das sozial Bekannte hebt für einen Moment die Gruppendynamik auf und eröffnet einen Freiraum, "richtig" zu reden.

Dieser schmale Fluss aus der Tradition gehört auf das Laienapostolat ausgedehnt. Konkret heißt das: Der Pfarrgemeinderat von Gemeinde A. schreibt an den Pfarrgemeinderat von Gemeinde E., mehrere Kilometer entfernt: "Bitte sendet uns drei Männer und drei Frauen von untadeligem Ruf (Apg 13,1-3), die unsere vierundzwanzig Erstkommunionfamilien auf das Fest im nächsten Jahr vorbereiten." Dann würde in E. das große Staunen einsetzen. Man würde entdecken, dass man diese Männer und Frauen kennt ("Ist da nicht im letzten Jahr eine Mutter zugezogen, die den Würzburger Fernkurs absolviert hat und bei uns ‚noch nichts gefunden hat‘?". Mit dem Bestätigungsschreiben ihrer Gemeinde leiten die sechs den ersten Elternabend in A., wo so mancher staunt, was Metzger Helmut oder Lehrerin Heike antreibt, hier als Katechet:innen zu arbeiten.

Vielleicht reißt Gott jetzt die gewohnten Strukturen auf, damit in Pastoralverbünden und über deren Grenzen hinaus wieder möglich wird, was die Kirche von Anfang an bewegt hat: Es kommen Fremde zu uns. Und siehe: Wir glauben!

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