TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Schwindel"

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Freitag, 28. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Schwindel"
Eine Hebamme, die unter Schwindelattacken leidet, beschäftigt die Inselärztin Nora Kaminski in der 18. Episode der "Praxis"-Serie. Natürlich geht es auch ums Familienleben, die Beziehung zum Architekten Max gerät in die erste große Krise. Und es gibt ein Wiedersehen mit Schwester Franziska.

 "Schwindel" ist ein ziemlich cleverer Titel für den Abschluss der aktuellen "Praxis mit Meerblick"-Trilogie, und womöglich hat Anja Flade-Kruse tatsächlich an "Vertigo" (1958) von Alfred Hitchcock gedacht, als sie das Drehbuch schrieb.

Natürlich ist die achtzehnte Episode der ARD-Freitagsreihe kein Thriller, und es kehrt auch niemand "Aus dem Reich der Toten" zurück, wie der Klassiker bei seiner deutschen Erstaufführung hieß - aber gewisse Parallelen gibt es doch.

Eine Hebamme (Johanna Klante) leidet unter ominösen Schwindelanfällen (lateinisch Vertigo), gepaart mit heftigen Kopfschmerzen. Medizinisch sind die Attacken ein Rätsel, denn die Frau scheint kerngesund. Als Freiberuflerin befindet sie sich jedoch im Dauerstress: Weil sie als Verfechterin einer selbstbestimmten Geburt ihre Patientinnen von der Schwangerschaft bis zum Wochenbett begleitet, steht sie ihnen rund um die Uhr zur Verfügung.

Ihre querschnittsgelähmte und dauernörgelige Mutter (Gitta Schweighöfer) ist eine zusätzliche Belastung. Als die alte Dame auch noch beinahe einem Herzinfarkt erliegt, ist es mit Claudia Koserows mentaler Stabilität endgültig vorbei.

Nora Kaminski (Tanja Wedhorn) kennt das: Dass ein Beruf gleichzeitig auch Berufung ist, heißt nicht, dass die körperliche Belastung ohne Folgen bleibt; davon handelte der erste Film der Trilogie ("Rügener Sturköpfe"). Mittlerweile hat sie eine gesunde Balance aus Arbeit und Entspannung gefunden. Entsprechend lautet auch ihre Empfehlung für Claudia - verbunden mit der Bitte, sich trotzdem im Krankenhaus gründlich untersuchen zu lassen.

Doktor Heckmann (Patrick Heyn), frisch zum ärztlichen Direktor gekürt, schickt die Hebamme jedoch wieder heim, weil er die Symptome für psychosomatisch hält. Prompt kommt es beinahe zu einer Tragödie, als Claudia zusammenbricht, während sie ein Neugeborenes wiegen will.

Natürlich ist Schwindel auch ein freundliches Synonym für Betrug oder ein Täuschungsmanöver - und darum geht es in der zweiten Handlungsebene, auf der Flade-Kruse, die bereits mehrere Drehbücher für "Praxis mit Meerblick" geschrieben hat, Noras Privatleben geschickt mit ihrem Arbeitsalltag verknüpft.

Bislang war die Beziehung zum Architekten Max Jensen (Bernhard Piesk) perfekt; weder ihre berufliche Hingabe noch die Eifersucht seiner Tochter Klara (Ruby M. Lichtenberg) konnten einen Schatten auf die sonnige Zweisamkeit werfen. Das ändert sich, als der Teenager zu Nora in die Sprechstunde kommt und um ein Rezept für die Pille "danach" bittet, allerdings zwei Wochen zu spät - so lange liegt der Sex schon zurück.

Die junge Frau ist völlig neben der Spur, will sich ihrem Vater aber nicht anvertrauen. Max macht sich verständlicherweise große Sorgen um seine Tochter, und Nora ist hin und her gerissen: Einerseits würde sie ihn natürlich gern informieren, andererseits ist sie an die ärztliche Schweigepflicht gebunden. Das macht sie zwar nicht zur Lügnerin, aber genauso fühlt sie sich. Als schließlich die Wahrheit ans Licht kommt, führt das prompt zum ersten Beziehungs-Eklat.

Flade-Kruse hat mit ihrem Drehbuch zu "Schwesterherz" vor einem Jahr (2022) Franziska eingeführt, Noras Schwester, die unter einer bipolaren Störung leidet. Diesen Erzählstrang greift die Autorin nun wieder auf und führt ihn nicht nur für Franzi (Tina Amon Amonsen) zu einem guten Ende: Kubatsky (Michael Kind) kämpft nach wie vor für den Erhalt des örtlichen Campingplatzes, der einer luxuriösen Wellness-Oase weichen soll. Der Rentner und Noras Vermieterin (Petra Kelling) werden gar wegen Landfriedensbruchs verhaftet, weil sie nicht freiwillig weichen wollen; Franzi weiß einen Ausweg, der zwar nicht legal, moralisch aber selbstredend gerechtfertigt ist.

Regie führte Kerstin Ahlrichs, die bereits "Schwesterherz" gedreht hat. Atmosphärisch knüpft "Schwindel" nahtlos an die beiden letzten von Jan R?ži?ka inszenierten Episoden an. Das Ensemble ist ohnehin gut wie immer, zumal Benjamin Grüter als Noras etwas steifer Praxispartner diesmal eine andere Seite seiner Rolle zeigen darf, indem er als Babysitter für die Tochter von Arzthelferin Mandy (Morgane Ferru) einspringt.

Immer wieder ein Vergnügen ist Bo Hansen als stets gut gelaunter Rettungssanitäter. Die von einer akustischen Gitarre geprägte schöne Musik ist allerdings angesichts gerade des gesundheitlichen Dramas der Hebamme mitunter eine Spur zu munter. Die vielen Kameraflüge zeigen Rügen zwar von seinen schönsten Seiten und sind entsprechend prachtvoll anzuschauen, nehmen im Verlauf des Films aber auch etwas überhand.