Unabhängige Experten sollen in Zukunft die Bekämpfung und Aufarbeitung von Missbrauchstaten in der katholischen Kirche begleiten. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz beschloss am Mittwoch auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung ein neues Konzept, das unter anderem einen Expertenrat vorsieht. Ziel der Neustrukturierung sei es, den Schutz vor sexualisierter Gewalt effektiv und kontinuierlich zu verbessern, sagte der Aachener Bischof Helmut Dieser am Mittwoch in Dresden. Das neue Gremium soll laut den Plänen zum 1. Januar 2024 seine Arbeit aufnehmen.
Fachvertreter aus Medizin, Recht, Psychologie und Kriminalistik sollen demnach in diesem Rat sitzen. Die Auswahl der Mitglieder übernimmt laut Konzept eine Findungskommission. Aufgabe der neuen Expertengruppe wird ein übergreifender Jahresbericht sein, der Zahlen und Fakten über Fortschritte bei Prävention und Aufarbeitung aus allen 27 katholischen Diözesen enthalten soll. Daneben soll die Expertengruppe auch jährlich eine Diözese näher untersuchen und Empfehlungen aussprechen. Bischof Dieser sprach von einem "TÜV" für die Umsetzung und Anwendung der vereinbarten Schutzmaßnahmen.
Laut Dieser ist auch eine politische Beteiligung sowohl an der Auswahlkommission als auch an der späteren Expertengruppe denkbar. Der Expertenrat sei zwar kein politisches Instrument, betonte er, aber er brauche eine "gesellschaftlich anerkannte und kompatible Legitimation". Dabei könne die Politik helfen, sagte Dieser. Er begrüße alle Vorstöße des Gesetzgebers, mehr Verantwortung beim Thema Missbrauch zu übernehmen, er signalisierte aber zugleich, dass bisherige Gespräche über eine politische Beteiligung kaum Erfolg gezeigt hätten.
Dieser ist Vorsitzender der Bischöflichen Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen, die ebenfalls Teil des neuen Modells ist und im vergangenen Herbst gegründet wurde. Der langjährige Missbrauchsbeauftragte, der Trierer Bischof Stefan Ackermann, hatte sein Amt im September abgegeben.
"Belange der Betroffenen konsequent berücksichtigen"
Neben Dieser sitzen der Freiburger Bischof Stephan Burger als Stellvertreter sowie der Fuldaer Bischof Michael Gerber, der Würzburger Bischof Franz Jung, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, der Passauer Bischof Stefan Oster und der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers in der Fachgruppe. Der Betroffenenbeirat, der bereits seit 2020 existiert, ist die dritte Säule des neuen Konzepts.
Die Belange der Betroffenen und ihre Perspektive sollen konsequent berücksichtigt werden, sagte Dieser. Mehr Qualität bei der Aufarbeitung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt solle durch einheitliche und verbindliche Standards gewährleistet werden. Die Bischofskonferenz habe bei ihrer Tagung auch das weitere Vorgehen beschlossen: Als Nächstes würden die Regelwerke für den Expertenrat, den Betroffenenbeirat und die Bischöfliche Fachgruppe erarbeitet und abgestimmt, dann werde die Auswahlkommission für den Expertenrat aufgestellt.
Bätzing bittet um baldigen Gesprächstermin in Rom
Im Streit zwischen den deutschen Bischöfen und dem Vatikan über den Fortgang von Kirchenreformen hat der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, um ein baldiges Treffen mit dem Heiligen Stuhl gebeten. Er wolle gerne bald nach der letzten Vollversammlung des Reformprozesses Synodaler Weg in der kommenden Woche nach Rom kommen, schrieb Bätzing in einem Brief an das Staatssekretariat des Vatikans, den die Bischofskonferenz am Mittwoch auf ihrer Internetseite veröffentlichte.
Das Schreiben ist eine Reaktion auf einen Brief dreier Kardinäle, darunter des Staatssekretärs Kardinal Pietro Parolin, vom Januar. Darin hatten die Geistlichen im Auftrag von Papst Franziskus Befürchtungen über ein neues Gremium geäußert, das dauerhafte gemeinsame Beratungen zwischen Laien und Bischöfen ermöglichen soll.
Der Synodale Weg, der 2019 begonnen hat, endet offiziell mit der fünften Vollversammlung in der kommenden Woche. Jedoch soll ein Ausschuss in den kommenden drei Jahren eine Satzung für einen sogenannten Synodalen Rat erarbeiten, in dem dann in Zukunft Bischöfe und Laien gemeinsam über Kirchenreformen beraten sollen.
Der Vatikan befürchtet eine Schwächung des Bischofsamts und hatte dem Synodalen Weg untersagt, neue Leitungsgremien ohne Zustimmung zu etablieren. Auslöser für den erneuten Streit zwischen dem Vatikan und der Bischofskonferenz über den Reformprozess war eine Anfrage fünf konservativer deutscher Bischöfe im Dezember, ob sie an einem solchen Synodalen Ausschuss teilnehmen müssen oder dürfen.
Der Limburger Bischof Bätzing schreibt, er versichere, dass die Bischofskonferenz die vorgebrachten Sorgen um die Fragen eines Synodalen Ausschusses und eines Synodalen Rats ernst nehme. Der Synodale Ausschuss sei ein Zeichen dafür, dass hinsichtlich des zukünftigen synodalen Miteinanders noch großer Klärungsbedarf bestehe. Ursprünglich sei geplant gewesen, direkt im Anschluss an den Synodalen Weg einen Synodalen Rat zu etablieren. Das sei nicht geschehen.
Von Donnerstag bis Samstag in der kommenden Woche treffen sich vorerst zum letzten Mal Vertreter von Laien, Klerikern und kirchlichen Mitarbeitenden in Frankfurt am Main. Der Synodale Weg wurde von der Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken ins Leben gerufen, um die Vertrauenskrise nach den Missbrauchsskandalen der Kirche zu überwinden.
Kardinal Kasper verteidigt Papst Franziskus gegen Kritik
Der frühere "Ökumene-Minister" des Vatikans, Kurienkardinal Walter Kasper, hat Papst Franziskus mit Blick auf den Synodalen Weg gegen Kritik aus Deutschland verteidigt. "Papst Franziskus will selbstverständlich Reformen", sagte Kasper der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" anlässlich seines 90. Geburtstags (5. März): "Vielen Anliegen des deutschen Synodalen Wegs kann er sicherlich zustimmen. Bei anderen hat er den Eindruck, dass sie die Einheit des Glaubens in der Weltkirche massiv gefährden würden."
Bevor es den Synodalen Weg überhaupt gab, habe Papst Franziskus Synodalität gefordert, fügte Kasper hinzu: "Alle wichtigen Themen des Synodalen Weges waren längst auf seiner Agenda." Dazu gehörten etwa die Mitwirkung der Laien, der Abbau des Klerikalismus und die Förderung der Frauen im Dienst der Kirche. Das alles sei möglich, "ohne die Kirche auf den Kopf zu stellen", unterstrich Kasper.
Der frühere Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart äußerte zudem seine Beschämung über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche: "Ich habe mir eine solche Situation lange Zeit nicht vorstellen können. Geschämt habe ich mich, dass auch Priester Minderjährigen durch sexuellen Missbrauch für ihr ganzes Leben schweres Leid zugefügt haben und dass diese Taten oft auch noch vertuscht wurden."
"Tiefste Krise seit der Reformation"
Er sei bis heute jedes Mal schockiert, wenn er die Berichte Betroffener lese, fügte Kasper hinzu: "Inzwischen hat der Missbrauch zur tiefsten Krise seit der Reformation geführt. Gegen ihren ureigenen Auftrag, sich für das Leben einzusetzen, hat die Kirche, statt die Schwachen zu schützen, vor allem ihre eigene Institution und die Täter geschützt."
Walter Kasper wurde am 5. März 1933 in Heidenheim an der Brenz geboren. Von 1989 bis 1999 leitete er die Diözese Rottenburg-Stuttgart, bevor ihn Papst Johannes Paul II. in den Rat zur Förderung der Einheit der Christen berief. Er war an zwei Papstwahlen beteiligt. Zum Synodalen Weg in Deutschland, der weitgehende Reformen in der katholischen Kirche anmahnt, hatte er sich mehrfach kritisch geäußert.