Die Jecken im Rheinland und in Mainz haben trotz mehrjähriger Corona-Pause nicht das Feiern verlernt. Mit Hunderten Festwagen und satirischen Persiflagewagen, Zehntausenden Teilnehmenden und Zuschauern zogen die Rosenmontagzüge erstmals seit 2020 wieder durch die Karnevalshochburgen.
Der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly persiflierte den russischen Präsidenten Wladimir Putin, wie er ein Blutbad in einer Badewanne in den ukrainischen Landesfarben nimmt. Auf zwei Kölner Wagen wird Putin bei einem Kuss mit dem Teufel abgebildet und als Vampir, der die Welt durch einen Fleischwolf dreht.
In Köln startete der Zug bereits am Vormittag, erstmals auf der rechten Rheinseite in Deutz. Die Jecken feiern dort in diesem Jahr das Jubiläum 200 Jahre Kölner Karneval. An dem Zug aus mehr als 180 Wagen nahmen laut Veranstaltern etwa 12.000 Menschen teil. In Düsseldorf zogen die Fest- und Persiflagewagen mit mehr als 10.000 Teilnehmenden ab Montagmittag vom Stadtteil Bilk Richtung Altstadt. Auch in Städten wie Aachen, Bonn, Münster, Dortmund und Dorsten feierten die Menschen den Karnevalshöhepunkt wieder mit Rosenmontagszügen.
Die Kölner Persiflagen widmeten sich neben dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auch dem Iran. Ein Wagen zeigt die getötete Iranerin Mahsa Amini, hinter der ein bärtiger "Sittenwächter" ein blutiges Messer hebt. Die Düsseldorfer griffen die Proteste gegen das iranische Regime mit einem Wagen auf, der eine unverschleierte Frau zeigt, deren lange Haare einen wetternden "Mullarsch" umschlingen. "Free Iran" heißt es dazu schlicht.
Zudem wurde die Vergabe der Fifa-Weltmeisterschaft an Katar kritisiert und die Uneinigkeit der Ampelkoalition. In Köln zeigte ein Wagen etwa Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als "Habück", der sich vor einem arabischen Öllieferanten verbeugt. Die Düsseldorfer zeigten ihn als "Krötenminister", der mit zugekniffenen Augen einen Berg grüner Kröten schlucken muss, um in der Ampelkoalition zu verbleiben. Die Tiere tragen Namen wie "Gas aus Diktaturen", "Atomkraft" oder "Aufrüstung".
Die Klimapolitik und die Diskussion um Formen des Aktivismus waren ebenfalls Thema. So fragt Tilly auf einem seiner Wagen "Wer ist hier der Klimaterrorist?". Auf dem Wagen ist ein Mitglied der "Letzten Generation" abgebildet, das vor einem rauchenden SUV mit gefletschten Zähnen sitzt. Die Kölner zeigten einen Wagen mit einem Eisbären in schmelzender Umgebung, der verschiedene Arten von Klebstoff zum Verkauf anbietet.
Auch die beiden großen christlichen Kirchen bleiben nicht außen vor bei der Kritik der Närr:innen. So wird der viel kritisierte Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mit seinem Verhalten im Missbrauchsskandal aufs Korn genommen. Während sich ein dargestellter Erzbischof an einen einbrechenden Turm des Kölner Doms klammert, versucht der Teufel ihn zu sich zu ziehen.
Auch die Kosten für eine geplante Austragung des evangelischen Kirchentags in Düsseldorf wurden satirisch dargestellt. Kritiker des evangelischen Kirchentages, der 2027 in Düsseldorf stattfinden soll, lassen die Millionen-Kosten für das Kirchenspektakel in Flammen aufgehen, während die Landeshauptstadt ihren Anteil für den Kirchentag in Höhe von 5,8 Millionen Euro scheinbar bereitwilligst ins Feuer schüttet.
Einen Kölner Wagen zierte zudem eine jüdische Menora, ein siebenarmiger Leuchter. Der Festwagen wurde laut dem Festkomitee Kölner Karneval bereits 2021 zum Festjahr "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" gebaut. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn erklärte, gerade zum 200. Jubiläum des Kölner Karnevals sei dem Komitee wieder bewusst geworden, wie sehr es sich in der Nazi-Zeit habe instrumentalisieren lassen. "Sogar im damaligen Rosenmontagszug wurde gegen jüdische Mitbürger gehetzt", sagte Kuckelkorn.
Doch heute werde die jahrhundertealte gemeinsame Geschichte gefeiert.
"Wir sind total froh, dass wir nach zwei Jahren Corona-bedingter Rosenmontagsfasterei jetzt endlich wieder mit dabei sein können", sagte die 42-jährige Mi-Sah, die den Zug mit drei ihrer Freundinnen und Kindern auf der Königsallee verfolgt. Einen Rosenmontagszug gibt es in der Landeshauptstadt bereits seit 100 Jahren. Das vorläufige Fazit einiger Ordnungshüter am Rande des Zugs in Düsseldorf zur Stimmung der Jecken
Neun Kilometer langer Umzug in Mainz
Als Höhepunkt der Mainzer Straßenfastnacht feierten erstmals nach der Corona-Krise wieder unzählige Menschen Rosenmontag. Planmäßig um genau 11.11 Uhr setzte sich der knapp neun Kilometer lange Umzug durch die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt in Bewegung. Bei frühlingshaftem Wetter jubelten Tausende den Spielmannszügen, Fastnachtsgarden und Motivwagen zu. Der federführende Mainzer Carneval-Verein (MCV) rechnete im Vorfeld mit 9.200 Teilnehmenden und bis zu 550.000 Zuschauern.
In einer ersten Zwischenbilanz am Nachmittag sprach die Polizei von einem störungsfreien Ablauf und "bester Stimmung entlang der Zugestrecke". Viele vor Ort eingesetzte Beamte teilten den Eindruck, dass noch mehr Menschen nach Mainz gekommen seien als in gewöhnlichen Jahren, so ein Polizeisprecher.
Phrasen spuckender "Scholzomat"-Roboter
Bereits in der vergangenen Woche hatte der MCV seine politischen Motivwagen für den diesjährigen Rosenmontag vorgestellt. Die Wagenbauer um Dieter Wenger thematisieren den Ukraine-Krieg, in dem sie beispielsweise einen verbeulten russischen Panzer nachbauten, dem eine ukrainische Sonnenblume den Mittelfinger entgegenstreckt. Russlands Präsident Putin rollt als schwarze Unwetterwolke durch Mainz, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird auf einem anderen Motivwagen als Phrasen spuckender "Scholzomat"-Roboter gezeigt, der frühere US-Staatschef Donald Trump als Zombie, der seinem Grab entsteigt.
Nach zwei pandemiebedingt ausgefallenen Rosenmontagsumzügen 2021 und 2022 war die diesjährige Kampagne in Rheinland-Pfalz von einem Streit um verschärfte Sicherheitsauflagen überschattet worden. Neue Auflagen für Sicherheitskonzepte und Betriebsgenehmigungen für Fastnachtswagen hatten dazu geführt, dass die Umzüge in zahlreichen Kommunen vor allem im Süden des Bundeslandes von den Vereinen abgesagt wurden. Mainz zählt neben Düsseldorf und Köln zu den Fastnachtshochburgen der Bundesrepublik.