"Vorbildlich" würde der Naturschutzbund (Nabu) wohl sagen, wenn er hörte, wo die Stralsunder Mariengemeinde Jahr für Jahr ihren Christbaum herholt: Nicht von einer Extra-Plantage, sondern aus normalen Wäldern oder auch mal von Privatgrundstücken.
"Früher war es der Wald in Abtshagen", erzählt Küster Dirk Peters. "Aber so große Bäume, wie wir sie suchen, gibt es dort gar nicht mehr." Fünf, sechs oder gar sieben Meter müsse ein Christbaum wegen des 33 Meter hohen Gewölbes in der Marienkirche schon haben.
Diesmal wird Peters dafür mit einem Förster im Velgaster Wald unterwegs sein. Von Handwerkern will er dann zwei ausgewählte Bäume auf einem LKW vors Kirchenportal liefern lassen - und sie zur Not noch etwas "restaurieren": Löcher in den Stamm bohren und Extra-Zweige hineinschieben.
Weihnachtsbäume, möglichst dicht und gleichmäßig gewachsen, sind begehrt in der Adventszeit. Laut Nabu werden jedes Jahr rund 30 Millionen Exemplare verkauft, die meisten aus Deutschland - aus eigens angelegten Weihnachtsbaumkulturen. Ökologisch sei das nicht unbedenklich. "Auf den Plantagen wird in der Regel kräftig gespritzt und gedüngt", heißt es vom Nabu. Insektizide gegen Rüsselkäfer und Läuse, Herbizide gegen konkurrierendes Gewächs und Mineraldünger für einen gleichmäßigen Wuchs und eine intensive Grün- und Blaufärbung kämen dabei zum Einsatz.
Mischwald bevorzugt
Doch in einen Kirchenwald zu spazieren und dort unter Anleitung des Försters einen Baum zu schlagen, ist nicht in allen Kirchenwäldern möglich. Die Forstbetriebsgemeinschaft, die für rund 190 evangelische Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt fast 3000 Hektar Wald hütet, bietet jedenfalls keine Weihnachtsbäume an. "Wir wirtschaften möglichst naturnah und haben deshalb gar nicht mehr viele Nadelbäume" erklärt Chef-Förster Christoph Klaiber. Wegen des Klimawandels, der langen Trockenphasen und der vielen Schädlinge sei Mischwald sinnvoller. "Artenvielfalt setzt zumindest den Schädlingen etwas entgegen."
Im Übrigen sei der Weihnachtsbaumhandel fast ein eigener Wirtschaftszweig. "Die Leute sind ja verwöhnt, was das Aussehen dieser Bäume angeht", sagt Klaiber. Für die meisten müsse es eine Nordmanntanne sein. Und diese Bäume würden eben auf Extra-Plantagen angebaut, im Sauerland und anderswo.
Für die Stimmung unverzichtbar
Die Schweriner Domgemeinde hat für ihre Kirche zwei hohe Fichten im nahe gelegenen Langen Brütz ausgewählt - von einer Plantage, nicht aus einem Wald. Weil man die Lieferung bis zur Kirchentür mitkaufen konnte. "Wir teilen die Sicht des Nabu", sagt Pastor Güntzel Schmidt. "Unseren privaten Weihnachtsbaum habe ich auch schon oft im Wald geschlagen. Aber die Sechs-Meter-Bäume, die wir für den Dom brauchen, bekommt man ohne LKW und Kran ja nicht transportiert." Und Forstbetriebe böten die Lieferung leider nicht an.
Aus Ökogründen gleich ganz auf den Christbaum zu verzichten, wäre aus Sicht von Pastor Schmidt keine gute Lösung. "Ich bin mir sicher, die Enttäuschung wäre groß", sagt er. Der Baum helfe, Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen und transportiere eine wichtige theologische Botschaft: "Er steht für den Baum des Lebens im Paradies, von dem Gott die Menschen ausschloss und zu dem wir durch Christus wieder Zugang haben." In den Psalmen sei ein immergrüner Baum zudem ein Symbol für Gerechtigkeit - "also die Grundlage für ein heilsames Miteinander, in dem kein Mensch zu kurz kommt, keiner übergangen oder zur Seite gedrängt wird - das wären paradiesische Zustände!"