Wieso Christ:innen zum Handeln verpflichtet sind

Das Leitungsgremium der Evangelische Kirche von Kalimantan
© VEM
Das Leitungsgremium der GKE (Evangelische Kirche von Kalimantan) unterstützt die lokalen Dayak und ihren Präsidenten Efendi Buhing im Kampf gegen Landraub durch internationale Palmölkonzerne.
Mission Menschenrechte
Wieso Christ:innen zum Handeln verpflichtet sind
Überall auf der Welt werden Menschenrechtsverletzungen begangen. Besonders für Christ:innen sollte es selbstverständlich sein, sich dagegen einzusetzen, meint Jochen Motte. Denn Menschenrechte sind seine Mission.

Die (kanonisierten) Menschenrechte werden im nächsten Jahr 75 Jahre alt. Am 10. Dezember 1948 wurden sie von den Vereinten Nationen unter dem Eindruck der mehr als sechs Millionen ermordeten Jüd:innen und der Millionen von Toten des zweiten Weltkrieges beschlossen. Seit 1995 erinnert die Vereinte Evangelische Mission (VEM) anlässlich des Tages der Menschenrechte am 10. Dezember daran, dass alle Menschen unveräußerliche Rechte haben.

Trotz des Menschenrechts-Beschlusses der Vereinten Nationen werden diese Rechte bis heute vielen Menschen vorenthalten und verletzt. Die Situation der für Gerechtigkeit kämpfenden Frauen im Iran, die Folgen des schrecklichen Krieges in der Ukraine mit Tausenden von Toten, darunter viele Kinder und Frauen, und Millionen von Geflüchteten – das sind nur zwei Beispiele von vielen. Nicht alle Menschenrechtsverletzungen bekommen so viel (mediale) Aufmerksamkeit.

Die Menschen in den afrikanischen Mitgliedskirchen der Vereinten Evangelischen Mission haben angesichts des Krieges in der Ukraine die Frage an uns gerichtet: "Warum seht Ihr den Krieg in der Ukraine als Zeitenwende? Hier – in der Demokratischen Republik Kongo – sind Krieg und Gewalt in großen Teilen des Landes seit vielen Jahren Alltag." Und auch das ist wiederum nur ein Beispiel für viele andere in Afrika. Wo man auf dieser Welt hinschaut, scheint es, als ob das Recht unter die Räder geraten ist.

Viele Regierungen handeln nicht nach Recht und Gesetz zum Wohlergehen aller, sondern setzen auf das Recht des Stärkeren, wie uns – ein weiteres Beispiel – die brutale Niederschlagung der Proteste im Iran vor Augen führt.

Recht und Gerechtigkeit unzertrennlich

"Rette mich aus der Hand meiner Feinde und vor denen, die mich verfolgen!" – dieser Notruf aus Psalm 31,16 steht daher über der diesjährigen Menschenrechtsaktion der Vereinten Evangelischen Mission. Diese Bibelworte machen klar, dass wir als Christ:innen aufgrund unseres Glaubens zum Handeln für die Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet sind. Der Gott Israels befreit sein Volk aus Unrecht und Sklaverei und gibt Mose die Gebote. Gesetze, die die Würde und den Schutz der Schwachen und Wehrlosen sichern sollen.

Recht und Gerechtigkeit sind für Christ:innen unzertrennlich: Jesus Christus hat in seiner Hinwendung zu den Ausgegrenzten und Schwachen – den Zöllnern, Kindern, Kranken und Fremden – Gottes unbedingten Willen für Recht und Gerechtigkeit bekundet. Warum wir uns für Recht und Gerechtigkeit aus christlicher Perspektive einsetzen, beantwortet Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der Samariter, der dem ausgeraubten verletzten Menschen am Wegrand hilft, tut dies, weil ihn das Schicksal des Opfers von Gewalt und Unrecht bewegt. Er handelt aus Liebe. "Befreie mich aus der Hand meiner Feinde und von denen, die mich verfolgen!" Unzählige Menschen in aller Welt werden Opfer von Unrecht und Gewalt und hoffen auf Befreiung und Gerechtigkeit. Sie alle können sich mit dem Hilferuf des Betenden aus Psalm 31,16 identifizieren.

Im September 2022 trafen sich über 3.500 Vertreter:innen von mehr als 350 Kirchen aus aller Welt in Karlsruhe zur Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen. Auch dort wurde die Frage diskutiert, warum wir als Christ:innen es als unsere Pflicht ansehen, für Menschenrechte einzutreten. Dabei kamen immer wieder auch Stimmen von Opfern von Menschenrechtsverletzungen zu Wort: Maria Morales, die Ehefrau des Bischofs Carlos Morales von der katholischen Kirche in den Philippinen berichtete, wie ihr Mann unter dem Vorwurf des Terrorismus für zehn Monate im Gefängnis gesessen hat, unter der erfundenen Anklage, er habe widergesetzlich Sprengstoff und Waffen besessen.

Eintreten für Menschen, denen Unrecht widerfährt

Im Rahmen der VEM-Menschenrechtsaktion kommen weitere Stimmen von Opfern zu Wort oder es wird, zum Teil anonymisiert, um niemanden zu gefährden, über sie berichtet. Betroffen von Menschenrechtsverletzungen sind Menschen aus allen drei Partner-Regionen der VEM: Menschen aus Asien, darunter Jugendliche, die unter Anklage des Mordes an Angehörigen des indonesischen Militärs inhaftiert und zu langen Haftstrafen verurteilt sind, Menschen aus Deutschland, die Opfer von Hassrede in sozialen Medien wurden, Menschen aus Afrika, denen von privaten Unternehmen ihr Land gestohlen wird und die kaum Chancen haben, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren.

Wie der Psalmbeter aus dem alten Israel rufen sie um Hilfe: "Errette mich aus der Hand meiner Feinde und vor denen die mich verfolgen!" Und so wie der Samariter Herz gezeigt und dem ausgeraubten Menschen in Not geholfen hat, so warten heute Menschen, denen Unrecht widerfahren ist, auf jemanden, der für sie eintritt.

Was können wir tun? Als VEM-Gemeinschaft von Kirchen leisten wir Informations- und Aufklärungsarbeit. Zunächst für die Betroffenen selbst. Wir klären über die Möglichkeiten auf, sich für die eigenen Rechte einzusetzen. Wir geben den Opfern von Menschenrechtsverletzungen eine Stimme und vertreten ihre Rechte in Politik und Öffentlichkeit. Mit gemeinsamen Besuchen vor Ort drücken wir unsere Solidarität und Verbundenheit aus und schaffen eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Anliegen der von Gewalt und Repression Betroffenen. Wir vernetzen uns mit anderen Organisationen, leisten Rechtsbeistand und psychosoziale Betreuung.

Was können Sie tun? Ich bitte Sie: Halten Sie in Ihren Kirchen und Gemeinden das Bewusstsein dafür wach, warum es heute dringender denn je ist, dass wir als Christ:innen in der Nachfolge Jesu für Recht und Gerechtigkeit, für Menschenrechte weltweit und bei uns eintreten.

evangelisch.de dankt mission.de und der Evangelischen Mission Weltweit für die inhaltliche Kooperation.