"Vielleicht haben wir nicht richtig hingeschaut, etwa in Syrien oder beim Tschetschenien-Krieg", sagte Kramer, der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ist, in einem Interview der Wochenzeitung "Glaube+Heimat" (Mittwoch). Der Berliner Bischof Stäblein ergänzte: "Nicht mit dem Bösen zu rechnen, kann in den letzten Jahrzehnten ein Fehler gewesen sein."
"Ich stimme zu: Wir haben in Syrien nicht so hingeguckt, wie wir es hätten tun müssen. Wir haben die Geflüchteten hier aufgenommen, aber wir haben dem Elend, das Russland kräftig vorangetrieben hat, auch tatenlos zugesehen", fügte Stäblein in dem Interview hinzu: "Wir haben dieser Struktur keinen Einhalt geboten und damit auch eine urchristliche Aufgabe vernachlässigt, nämlich die Eindämmung des Bösen." Stäblein ist Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Kramer, der auch EKD-Friedensbeauftragter ist, warnte mit Blick auf den Ukraine-Krieg davor, pazifistische Positionen lächerlich zu machen. "Die Brutalität dieses Krieges steht außer Frage und auch, dass da etwas entgegenzusetzen ist. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. Wir sind auch in einem ideologisch aufgeheizten Kampf", sagte Kramer, der sich mehrfach gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen hat. Wenn versucht werde, das Bemühen um Abrüstung der vergangenen 30 Jahre als Fehler darzustellen, sei das nicht zutreffend.
Bischof Stäblein bekräftigte seine Zustimmung, dass Deutschland Waffen zur Unterstützung der Verteidigung der Ukrainer liefert. Zugleich warb er um Verständnis für die vielen unterschiedlichen Positionen der evangelischen Kirche in der Friedensethik: "Es gehört zum evangelischen Glauben, unterschiedliche Positionen zu vertreten, die ja im Fundament gleich sind." Man sei sich gar nicht so weit entfernt, wie es vielleicht scheint, die Positionen lägen nahe zusammen.