Natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass sich die Polizei mit der Unterwelt befasst, doch das ist diesmal nicht kriminalistisch zu verstehen: Oberstleutnant Moritz Eisner und Majorin Bibi Fellner bekommen es in "Das Tor zur Hölle" mit dem Leibhaftigen zu tun. Zwar begegnet das Duo dem Spuk, der hier sein Unwesen treibt, mit der nötigen Distanz, zumal Eisner weder an Gott noch an den Teufel glaubt, aber die Skepsis weicht zunehmend einem gewissen Respekt; immerhin verdichten sich die Anzeichen, dass in der Tat übernatürliche Kräfte am Werk sind. Das Ergebnis ist zumindest aus Sicht von Horror-Fans ein höchst unterhaltsames Werk, für den zartbesaiteten Teil des Publikums jedoch eine echte Herausforderung.
Wer klassische Krimis bevorzugt, wird sich bereits über den Prolog wundern oder mit Grausen wenden, als ein kleines Mädchen Zeugin einer Geisterbeschwörung wird; der gruselige Auftakt endet mit einer weiblichen Leiche, die plötzlich von der Decke baumelt. Später wird Thomas Roth (Buch und Regie) offenbaren, dass es sich nicht etwa um eine Kindheitserinnerung der Majorin, sondern um einen wiederkehrenden Alptraum handelt.
Die Leiche ist eine junge Frau, die sich einst in ihre Obhut geflüchtet hat. Dieses Trauma macht Fellner besonders empfänglich für die Ereignisse, von denen die Handlung erzählt. Sie beginnt mit dem obligaten Leichenfund: Ein Priester ist zu Tode geprügelt und dann mitten in der Stadt eine Treppe hinuntergestoßen worden. Der Prälat war der Beauftrage der Erzdiözese Wien für "Befreiungen", wie die katholische Kirche heute nennt, was im Volksmund Exorzismus heißt; Eisner wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt noch gibt.
Offenbar steht der Tod des Klerikers in engem Zusammenhang mit einer aktuellen Austreibung. Hinweise auf Verdächtige gibt es nicht, also macht sich das Duo erst mal mit der Materie vertraut. Zu den Menschen, auf die sie dabei treffen, zählt auch ein Psychiater, der die Diözese in Fachfragen berät. Sven Eric Bechtolf ist eine ausgezeichnete Besetzung für diese Rolle, denn Doktor August Sittsam ist ein derart undurchsichtiger Typ, dass Eisner ihn prompt mit "Doktor Seltsam" anspricht.
Ähnlich interessant ist eine Theologieprofessorin (Angela Gregovic), deren Forschungsgegenstand das titelgebende Tor zu Hölle ist. Es soll sich tatsächlich in Wien befinden, wie ein früherer und mittlerweile bekehrter Zuhälter (Roland Düringer) offenbart. Die irdischen dunklen Mächte hätten großes Interesse, diesen Eingang zu entdecken. Fellner findet das einleuchtend, der Teufel sei schließlich dafür bekannt, Unfrieden zu stiften; auch wenn der Mensch, wie Eisner anmerkt, das ganz gut alleine hinbekommt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Roth hat diverse sehenswerte Beiträge für Krimi-Reihen wie "Kommissar Dupin" (ARD) und "Der Kommissar und das Meer" (ZDF) gedreht, aber der Österreicher kennt sich offenkundig auch im Horrorfilm ziemlich gut aus. Er hat zwar auf jene Elemente verzichtet, die im Klassiker "Der Exorzist" (1973) für eine Mischung aus Grusel und Ekel sorgten (die in hohem Bogen gereiherte Erbensuppe), doch ansonsten mit vermutlich großer Freude alle möglichen Register gezogen: Gläser zittern, Möbel wackeln, Bilder fallen von den Wänden, Blut sprudelt aus dem Abfluss; samt und sonders schlichte Effekte, die aber ihre Wirkung nicht verfehlen.
Der Film ist ausdrücklich keine Parodie, aber trotzdem weder unappetitlich noch verstörend; den einen oder anderen Gänsehauteffekt gibt es jedoch durchaus. Faszinierend sind auch die Figuren, allen voran eine angeblich besessene junge Frau (Maresi Riegner), die den ermordeten Prälaten um eine "Befreiung" gebeten hat und Fellner mit verzerrter Stimme obszöne Beleidigungen an den Kopf wirft. Zum Ausgleich erfreut das Drehbuch durch allerlei theologische Fachsimpeleien sowie Verweise auf klassische Literatur; Goethes "Faust" findet ebenso seinen Platz wie Dantes "Göttliche Komödie".
Von überdurchschnittlicher Qualität ist auch die Bildgestaltung, zumal der vielfach ausgezeichnete Kameramann Martin Gschlacht für satte, konstrastfreudige Farben gesorgt hat. Dass die Musik (Lothar Scherpe) angemessen unheilverkündend ausfällt, versteht sich von selbst.