TV-Tipp: "Wilsberg: Schmeckt nach Mord"

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1. Oktober, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wilsberg: Schmeckt nach Mord"
Ein Fleischfabrikant aus Westfalen und dessen baldiger Tod steht im Mittelpunkt dieser "Wilsberg"-Folge. Die Ermordung des "Fleischkönigs" nimmt eine Größenordnung an, die weit über eine routinierte Nachforschung hinausgeht.

Ein Fleischproduzent aus Westfalen, dessen Betrieb als einer der größten Wirtschaftsfaktoren der Gegend gilt: Da werden nicht nur die Menschen in Gelsenkirchen hellhörig. In der "Wilsberg"-Episode "Schmeckt nach Mord" sind Ähnlichkeiten mit einem Unternehmer, der zwei Jahrzehnte die Geschicke von Schalke 04 bestimmt und mit seinem Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück für allerlei Skandale gesorgt hat, jedoch rein zufällig.

Tatsächlich ist die Krimi-Figur sogar weitgehend unbescholten, wie sich später zeigt; sofern diese Bezeichnung bei einem Fleischfabrikanten überhaupt angebracht ist. Allerdings gibt es einige unschöne Gerüchte über die Zustände in seinem Betrieb. Privatdetektiv Wilsberg (Leonard Lansink) soll dieser üblen Nachrede im Auftrag von Anwältin Tilker (Patricia Meeden) nachgehen, und selbstredend nimmt der Fall spätestens nach der Ermordung des "Fleischkönigs" eine Größenordnung an, die weit über eine routinierte Nachforschung hinausgeht.

In den letzten Jahren waren die Beiträge zu der Reihe aus Münster immer am besten, wenn die Drehbücher dafür sorgten, dass der eifrige Oberkommissar Overbeck (Roland Jankowsky) bei seinen Ermittlungen fragwürdige Errungenschaften der Digitalisierung nutzte; oder wenn die Regisseure (bis auf zwei Ausnahmen, die lange zurückliegen, in der Tat ausschließlich Männer) ein Feuerwerk aus Anspielungen und Filmzitaten abbrannten. Gemessen daran ist Episode Nummer 76 ein ganz gewöhnlicher Krimi: unterhaltsam zwar, auch solide in Umsetzung und Darstellung, doch im Rahmen von "Wilsberg" bloß Durchschnitt.

Regie führte Philipp Osthus, der unter anderem die ersten vier Folgen der ausgezeichneten ARD-Freitagsreihe "Käthe und ich" sowie zuletzt den sehenswerten ARD-Thriller "Der Beschützer" mit Tobias Oertel gedreht hat. Sein "Wilsberg"-Debüt war die vorzügliche Folge "Gene lügen nicht" (2022). Der Film brachte alles mit, was einen guten "Wilsberg"-Krimi ausmacht: eine Geschichte, die zunehmend komplexer wird, ein Wiedersehen mit Figuren aus früheren Episoden, ein großes, durch viele junge Gesichter ergänztes Ensemble, wunderbare Dialoge und viele kleine Überraschungen. Manches davon gibt es in "Schmeckt nach Mord" zwar auch; aber in deutlich geringerer Dosis.

Umso komplexer ist die Handlung. Das Drehbuch von "Wilsberg"-Stammautor Stefan Rogall, der zuletzt zwei äußerst kurzweilige Geschichten im Agatha-Christie-Stil beigesteuert hat ("Einer von uns", 2021, und "Ungebetene Gäste", 2022) hat eine Menge Personal und entsprechend viele Handlungsebenen zu bieten, aber Overbecks düsterer Ahnung "Hier braut sich was zusammen!" wird es nicht gerecht.

Natürlich macht es wie immer Spaß, dem Ensemble zuzuschauen, zumal der Kommissar und der Detektiv auf gewohnt heitere Weise allerlei Nettigkeiten austauschen, aber eine bleibende Erinnerung hinterlässt der Film nicht. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass das Hintergrundthema ebendort bleibt: Es ist zwar dauernd die Rede von Fleischindustrie und Fleischersatz, aber vordergründig geht es um Animositäten und Ambitionen.

Die interessanteste Beziehung ist die zwischen dem Fleischkönig, Thomas Heitbrink (Michael Schiller), und seiner Tochter Lea (Anna Hausburg): Sie liefert für ein vegetarisches Restaurant Essen aus und will mit dem Imperium des Vaters nichts zu tun haben. Dass sie kein Fleisch isst und außerdem lesbisch ist, konnte der Patriarch nicht mit seinem Weltbild vereinbaren; trotzdem hat er sie als seine Nachfolgerin vorgesehen.

Ansonsten geht es vor allem um Beziehungen im Sinn des "Vitamin B", exemplarisch verkörpert durch Hauptkommissarin Springer (Rita Russek), die mit dem verwaisten Posten der Kriminalrätin liebäugelt und sich auf eine Seilschaft mit ausgerechnet jenem einflussreichen Stadtrat (Stephan Schaad) einlässt, den Overbeck schließlich triumphierend als Heitbrinks Mörder präsentiert.

Der Oberkommissar hat ohnehin wieder mal die besten Dialoge, zumal er dank seiner Mitwirkung in einem philosophischen Zirkel seit einiger Zeit regelmäßig interessante Vorträge hält. Diesmal geht es um die von dem politischen Philosophen John Rawls in seinem Buch "A Theory of Justice" beschriebene Ideologie des Egalitären Liberalismus. Wichtiger Bestandteil dieser Gerechtigkeitstheorie wie auch eines jeden Krimis ist der "Schleier des Nichtwissens". Natürlich wird der Diskurs zwischen Rawls und seinen Gegenspielern, den Utilitaristen, nicht weiter vertieft, weil das den Rahmen sprengen würde, aber die entsprechende Oberflächlichkeit ist durchaus typisch für diesen Krimi.