Früher sind die Männer, wie das gern umschrieben wurde, "Zigaretten holen gegangen". Heute ist man "mal weg" - längst durchaus auch als Frau; und davon erzählt "Check out". Der Film beginnt als Drama: Die Frankfurter Altenpflegerin Caro (Silke Bodenbender) ist unübersehbar am Ende ihrer Kräfte. Ständig müssen drei Aufgaben gleichzeitig erledigt werden, und als dann auch noch Frau Rumi (Klara Höfels) stirbt, nimmt Caro den Notausgang.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Aus heiterem Himmel erfolgt die Flucht jedoch nicht. In einem Schließfach am Bahnhof hat sie alles deponiert, was man für eine ziellose Wanderung durch die Natur braucht: Kleidung, Zelt, Schlafsack, Proviant, Bunsenbrenner; bloß die Streichhölzer hat sie vergessen.
Kristl Philippi, die bei ihrem Drehbuch durch den erfahrenen Komödienkollegen David Ungureit ("Das Pubertier") verstärkt wurde, sowie Regisseurin Nana Neul, die bereits Philippis Drama "Unser Kind" (2018) verfilmt hat, beginnen den Film mit zwei parallel erzählten Handlungen: hier Caros kräftezehrender Alltag, dort der Aufbruch. Wenn sie abends erschöpft nach Hause kommt, wartet der putzmuntere Markus (Trystan Potter) bereits mit dem Essen, doch Caro will vor allem ihre Ruhe.
Weil sie nicht einschlafen kann, liest er ihr langweilige Gebrauchsanweisungen vor, was zur Folge hat, dass seine Augen zufallen, ihre hingegen nicht. Die Parallelmontage endet, als Caro im Wald und damit auch bei sich selbst angekommen ist.
Nun wird sie allerdings mit Problemen ganz anderer Art konfrontiert, und der Film beginnt, sich in eine Tragikomödie zu verwandeln: Als sie in ein Haus eindringt und dort ein Wegwerffeuerzeug klaut, kommt es zur Verfolgungsjagd, die für den Hausbesitzer (Hans-Jochen Wagner als Waldschrat) sehr schmerzhafte Folgen hat. Ohnehin ist das Dasein in der "Wildnis" des Hochtaunus nicht so einfach, wie sich Caro das vorgestellt hat; mit Wildschweinen zum Beispiel hat sie eher nicht gerechnet.
Deutlich heiterer wird "Check out" durch die Mitwirkung von Ernst Stötzner. Der Schauspieler versteht es wie nur wenige andere, skurrile Figuren mit viel Würde zu versehen. Hier verkörpert er einen Busfahrer, dem Caro gleich mehrfach begegnet, was zu einigen absurd anmutenden Dialogen führt, denn der Mann versteht seine Arbeit offenkundig als Berufung; selbst wenn er im Grunde immer bloß im Kreis fährt.
Als Caro den Bus beim zweiten Aufeinandertreffen als Refugium nutzen und einfach nur mitfahren will, komplimentiert er sie wieder hinaus, verbunden mit der dringenden Empfehlung, das "Kreiseln" gar nicht erst anzufangen. Beim dritten Mal gelingt es ihr dagegen sogar, ihn zum Ausbruch aus der ewig gleichen Routine zu überreden.
Mittlerweile ist der Film ohnehin endgültig zur Komödie geworden - zumindest vorübergehend, denn Markus hat Caro gefunden und schließt sich ihr an, was prompt zu diversen Heiterkeiten führt, denn er ist mit seiner kurzen Sommerhose und den völlig untauglichen Clogs für einen Aufenthalt im herbstlichen Wald denkbar unpassend gekleidet; das Zelt hat ohnehin nur Platz für eine Person. Immerhin hat er ein Feuerzeug dabei.
Im Grunde ist es eine kleine Geschichte, die Philippi und Ungureit erzählen, selbst wenn die Handlung allerlei überraschende Umwege nimmt, weil das Drehbuchduo die beiden Hauptfiguren regelmäßig mit allerlei Unwägbarkeiten konfrontiert. Leidtragender ist meist Markus, dem erst sein Auto und dann beim Versuch, mit bloßen Händen eine Forelle zu fangen, Geld und Papiere abhanden kommen.
Das gemeinsame Abenteuer mündet schließlich in eine fröhliche Zechprellerei im Nobellokal, diesmal mit Verfolgungsjagd im Weinberg. Groß wird "Check out" durch das Ensemble, zu dem unter anderem noch Uwe Rohde als stoischer Treckerfahrer gehört. Für die beschwingte Atmosphäre des Films sorgt vor allem der muntere Jazz (Masha Qrella), der selbst den potenziell bedrohlichen Szenen ihre Spannung nimmt.
Regisseurin Nana Neul hat die Umsetzung des Drehbuchs voll und ganz auf ihre Hauptdarstellerin ausgerichtet. Anfangs, als der durchaus sympathische, aber aus Caros Sicht auch recht nervige Markus seine Frau mit guter Laune penetriert, spielt Bodenbender konsequent nach innen; erst im Wald gestattet sie Caro, ein wenig aus sich herauszugehen. Mit Stötzner hat Neul neben dem etwas konstruierten, aber gut gespielten und interessant konzipierten Drama "Unser Kind" (über den Streit um das Baby eines lesbischen Paars) bereits "Stiller Sommer" (2014) gedreht, einen allerdings eher träge dahinplätschernden typisch deutschen Programmkinofilm.
"Check out" knüpft dagegen an ihre unangestrengte Degeto-Beziehungskomödie "Eine Sommerliebe zu dritt" (2016, mit Paula Kalenberg als Frau zwischen zwei Männern) an. Ein simpler Drehbucheinfall sorgt jedoch dafür, dass der Anlass für Caros Fluchtversuch nicht in Vergessenheit gerät: Bei allen möglichen Gelegenheiten mischt sich plötzlich Frau Rumis Geist ins Geschehen ein, was die Geschichte mal um heitere, mal um dramatische Begebenheiten ergänzt.