"Familie Bundschuh unter Verschluss", die siebte Episode der heiteren Reihe, die größtenteils auf Romanvorlagen von Hauptdarstellerin Andrea Sawatzki beruht, konfrontiert die Sippe mit dem Virus: Gundulas ohnehin zu Wehleidigkeit und Hypochondrie neigender Bruder Hadi (Stephan Grossmann) hat sich infiziert, und jetzt müssen alle in Quarantäne. Auf diese Weise können Kerstin Cantz und der als "Headautor" firmierende Regisseur Thomas Nennstiel das typische Muster der Geschichten auf die Spitze treiben.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Drehbücher folgen seit "Tief durchatmen, die Familie kommt" (2015) dem immergleichen Erzählprinzip: Wer solche Verwandten hat, braucht keine Feinde. Mittlerweile leben ohnehin alle unter einem Dach; doch diesmal gibt es aufgrund der Pandemiebestimmungen kein Entkommen. Die Dialoge hätten gern noch ein bisschen bissiger und die Inszenierung ruhig etwas schmissiger sein können, aber auch so ist der Film, der diesmal laut Vorspann nur auf einer Idee Sawatzkis beruht, viel Vergnügen. Der bisherige Erfolg der Reihe resultiert nicht zuletzt aus dem zweiten Gebot der Fernsehunterhaltung: Setze beliebte Versatzstücke neu zusammen und ergänze sie um kleine Überraschungen (das erste Gebot lautet "Du sollst nicht langweilen"). Oder um es mit Gundula zu sagen: "alles wie immer, nur schlimmer."
Die etablierten Figuren bleiben sich treu und erfüllen die Erwartungen, aber personelle Auffrischungen bringen Leben in die Runde: Als Ersatz für ihren Therapeuten gelten Gundulas Tagträume diesmal einem attraktiven Nachbarn (Kai Lentrodt), Sohn Matz (Levis Kachel) verliebt sich in eine neue Mitschülerin (Emilia Packard), außerdem hat sich die Familie während des ersten Lockdowns einen Vierbeiner namens Drosten (!) zugelegt. Für die meiste Unruhe sorgt allerdings die große Liebe von Gundulas Schwiegermutter. Zunächst verbirgt Susanne (Judy Winter) ihren Verehrer noch im Keller, aber das Versteckspiel fliegt alsbald auf, und natürlich muss auch Carlo (Rüdiger Vogler) nun in Quarantäne. Gundulas Gatte Gerald (Axel Milberg) begegnet dem Mann allerdings mit unverhohlener Feindseligkeit, weshalb alsbald eine unausgesprochene Frage im Raum steht: Ist der Galan mit dem Stutzerbärtchen womöglich Geralds Erzeuger?
Als besonders ergiebig erweist sich zudem die Idee, Hadi in neue literarische Gefilde zu schicken. Der Ratgeberautor hat einen historischen Roman verfasst und zur öffentlichen Lesung geladen. Als er über Beschwerden klagt, wird dies je nach Wohlwollen als Lampenfieber oder Heischen um Aufmerksamkeit interpretiert. Nach dem positiven Befund muss die Lesung natürlich abgesagt werden; dank des bereits gelieferten indischen Caterings haben die Bundschuhs immerhin genug zu essen. Trotzdem ist Gundula untröstlich: In wenigen Tagen wollte sie zum ersten Mal seit 25 Jahren allein mit Gerald in den Urlaub fliegen. Nun macht sie mit Blumenkette und Cocktail das Beste draus und überlässt den Haushalt den anderen, während Hadi in der Isolation vom Stoff seines Buches übermannt wird: Das großzügige Gutshaus der Familie ist einst auf den Überresten einer mittelalterlichen Burg errichtet worden. In dem Roman geht es um einen Brudermord. In Hadis Fieberwahn geistert die unerlöste Seele des Opfers durchs Gemäuer, was Nennstiel für moderate Anleihen beim entsprechenden Genrekino nutzt. Der vermeintliche gemeuchelte Bruder ist natürlich niemand anders als Susannes Geliebter; die Szenen, in denen Carlo nachts ums Haus streift, haben Nennstiel und Kameramann Wolf Siegelmann wie eine Hommage an die Edgar-Wallace-Klassiker gestaltet.
Während die Drehbücher der früheren Filme vorwiegend auf Krawall gebürstet waren, was der Qualität nicht immer zuträglich schien, sorgt Nennstiel diesmal auch für nachdenkliche Momente. Gerade Susanne, die mit ihrer aufgesetzten Aufgekratztheit und den ständigen Sexgeschichten nicht nur die Nerven ihrer Familie strapaziert, darf dank der durch Carlo geweckten Erinnerungen an ihre Jugendjahre zur Ruhe kommen, und auch Geralds vaterlose Kindheit dient keineswegs bloß als Pointenressource. Ein anderes Potenzial lassen Cantz und Nennstiel dagegen ungenutzt: Verschwörungserzählungen bleiben komplett außen vor.