Wer schon mal erlebt hat, wie einsame alte Menschen aufblühen, wenn ihnen ein Hund seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmet, der kann bestätigen, dass die Reihe ihren Titel vollkommen zu Recht trägt: Ohne Käthe wäre Paul ein Therapeut wie viele andere. Christoph Schechinger verkörpert die zweite Titelfigur mit einer ansteckenden Entspanntheit:
Diese ist auch nötig, um zum Beispiel Chris (Tilman Pörzgen) aus seinem Schneckenhaus zu holen. Der junge Mann ist vor einem Jahr mit einem Hubschrauber abgestürzt. Er hat überlebt, aber eine Hälfte seines Gesichts ist durch vernarbtes Gewebe derart entstellt, dass er sich nur noch vermummt vor die Tür traut. Weil den Nachbarn das "Phantom" unheimlich ist, wird sein Mietvertrag gekündigt. Paul soll Chris mit Hilfe seines treuen Vierbeiners "Zurück ins Leben" helfen, wie der Episodentitel des dritten Films der Reihe lautet. Er knüpft nahtlos an die große Qualität der beiden Auftaktfolgen an, die das "Erste" im November 2019 ausgestrahlt hat.
Trotzdem fällt der Einstieg nicht ganz leicht, weil Autorin Brigitte Müller, Schöpferin der ebenfalls im Auftrag der ARD-Tochter Degeto gedrehten Freitagsreihe "Die Eifelpraxis", ihre Geschichte fortsetzt, als wäre der letzte Film erst kürzlich gezeigt worden. Wer den Inhalt nicht mehr präsent hat, braucht eine Weile, um wieder reinzukommen.
Paul lebt gemeinsam mit seiner Kindheitsfreundin Jule (Mona Pirzad), ihrem Mann Aaron (Ben Braun) und deren beiden Kindern auf einem renovierten Gutshof; Aaron und Jule führen gemeinsam eine Tierarztpraxis. Pauls Lebensgefährtin Erina (Nadja Bobyleva) war bis zu einem Autounfall eine gefeierte Primaballerina und sitzt nun im Rollstuhl. Wenn sie depressiv vor sich hinstarrt, wirkt sie, als wäre sie immer noch im Wachkoma.
Mit Hilfe einer neuen Figur sorgt Müller dafür, dass Leben in die Gemeinschaft kommt: Aaron hat einen alten Traum verwirklicht und arbeitet nun in einer Tierklinik. Sein Nachfolger, Eric (Ulrich Friedrich Brandhoff), ist nicht nur ähnlich attraktiv, er gehört auch zu den Menschen, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Das gefällt zwar nicht jedem, aber mit dieser provokanten Methode lockt er Erina erfolgreich aus ihrer geistigen Erstarrung; und Paul stellt fest, dass er längst nicht so immun gegen Eifersucht ist, wie er dachte.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Auf dieser Handlungsebene spielt Käthe überhaupt keine Rolle, bei der Therapie von Chris umso mehr. Der Australian Shepherd macht seine Sache famos. Das gilt vor allem für die Szenen mit Schechinger: Käthe und Paul wirken in der Tat wie ein eingespieltes Team, weil Hündin Hoonah anders nicht dauernd am Spielpartner vorbei zu ihrer Chefin schaut. Dieses Verdienst gebührt zwar Tiertrainerin Carolin Zeidler, aber die Arbeit mit den zweibeinigen Schauspielern und dabei vor allem mit den Jugendlichen ist ebenfalls vorzüglich.
Ansonsten orientiert sich Regisseur Philipp Osthus, der nach seinem Langfilmdebüt "Gonger 2 – Das Böse kehrt zurück" (2010, ProSieben) ausschließlich Serienfolgen gedreht hat ("Hubert und Staller", "Großstadtrevier"), am üblichen Degeto-Stil: Es gibt wie schon in seinen ersten beiden "Käthe"-Filmen immer wieder großzügige Luftaufnahmen der allerdings in der Tat imposanten Mecklenburgischen Seenplatte, Sonnenauf- oder untergänge inklusive (Kamera: Joachim Hasse). Auch der Schmusepop stammt aus dem üblichen Degeto-Baukasten.
Die große Stärke des Films ist daher das Drehbuch, weil Müller, die den Film auch koproduziert hat, die beiden zentralen Konflikte rund um Erina und Chris sehr schlüssig schildert. Viele Einfälle sorgen dafür, dass gerade das Schicksal des Teenagers gut nachvollzogen werden kann. Er träumt sich regelmäßig in eine Fantasiewelt, in der er am Strand unentstellt mit einem Mädchen (Valerie Huber) flirtet.
Sein Zimmer ist im Grunde ein bewohnbares Gemälde: an einer Wand die Strandszene, an einer anderen seine Mutter, die in den entsprechenden Rückblenden von Adelheid Kleineidam in einer winzigen stummen Rolle verkörpert wird; sein Bett ist ein Boot, das scheinbar im Wasser schwimmt. Bei Paul wird sein Traum Wirklichkeit, als er die gleichaltrige Helena (Muriel Wimmer) kennenlernt; jetzt muss er nur noch den Mut finden, ihr sein Gesicht zu zeigen.
Das Ende dieses Melodrams, das dank der trocken vorgetragenen Dialoge von Erinas Pflegerin Hildegard (Mariele Millowitsch) gelegentlich komische Züge trägt, ist fast zu schön, um wahr zu sein. Auch die Botschaft ist unmissverständlich: Eigentliches Thema des Films ist der gesellschaftliche Zwang zur Perfektion. Damit Chris’ Vermieter (Sebastian Schwarz) am eigenen Leibe spürt, wie es ist, wenn man ständig angestarrt wird, schminkt Hildegard ihm ebenfalls Narben ins Gesicht. Pauls Schlusssatz ist im Grunde unnötig, aber trotzdem wahr: "Wie einer aussieht, ist egal. Wie wir ihn sehen, ist wichtig."