Der Kerngedanke dieser Komödie erinnert an das Motto der Bremer Stadtmusikanten, "Etwas Besseres als den Tod findest du überall": Alles ist besser als eine Altersdepression. Dieses Ungemach droht einer kinderlosen Frau um die sechzig, die in der Hoffnung auf viele gemeinsame Erlebnisse dem pensionierten Gatten zuliebe in Frührente gegangen ist; doch Gemahl Harald (Günther Maria Halmer) widmet seinen Lebensabend lieber seinen Modelllokomotiven.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Anstatt nun daheim zu sitzen und Trübsal zu blasen, eifert Karin (Maren Kroymann) dem Vorbild ihrer lebenslustigen Schwägerin Philippa (Barbara Sukowa) nach und stellt sich als Leihoma zur Verfügung. Haralds Begeisterung hält sich in Grenzen, Kinder betrachtet er nicht gerade als "die Wucht in Tüten", aber als es Karin gelingt, selbst den reservierten Witwer Gerhard (Heiner Lauterbach) von den Vorzügen dieses Ehrenamts zu überzeugen, geht die Geschichte richtig los, denn nun rücken auch die jeweiligen Familien in den Blickpunkt.
Robert Löhr (Buch) und Wolfgang Groos (Regie) ist mit "Enkel für Anfänger" das Kunststück einer ungemein witzigen und überaus abwechslungsreichen Komödie gelungen, die sich dennoch Zeit für nachdenkliche Momente nimmt, denn der Hintergrund ist durchaus ernster Natur; und das gilt nicht nur für Paare, die im Alter feststellen, dass sie grundverschiedene Erwartungen an die letzten Lebensjahrzehnte haben.
Wer keine Kinder hat, hat zwangsläufig auch keine Enkel. Aber selbst wenn: Dass der eigene Nachwuchs in der Nähe lebt, ist angesichts der heutigen beruflichen Mobilität ohnehin längst die Ausnahme, weshalb viele Enkelkinder ihre Großeltern nur sporadisch sehen. Diese Lücke füllen die Leihomas und -opas. Der Film zeigt, wie bereichernd das sein kann, und zwar für alle Beteiligten.
Einige Dialoge sind erfrischend böse, doch es gibt auch allerlei Erkenntnisgewinn, zum Beispiel mit Hilfe von Philippa. Sie lebt als Hippie in einer Bauwagenkommune und muss sich irgendwann sagen lassen, dass es einen bedeutsamen Unterschied mache, ob jemand jung geblieben sei oder sich nach wie vor weigere, erwachsen zu werden.
Auch die Jungen kriegen ihr Fett weg: Die Eltern von Philippas Patenenkelin Leonie, Tobias und Antje (Tim Oliver Schultz, Paula Kalenberg), sind ein typisches Helikopterpärchen, was im Kontrast zu Philippas ausgeprägtem Hang zu Anarchie zwar zu diversen heiteren Momenten, aber auch einer äußerst brenzligen Situation führt. Karin wiederum hält den Erzeuger ihres Leihenkels Jannik zunächst für dessen dementen Großvater. Später stellt Kai (Dominic Raacke) fest, dass die Pflegeoma im Grunde besser zu ihm passen würde als seine deutlich jüngere Frau (Lavinia Wilson).
Opfer eines Missverständnisses wird auch Gerhard, den besorgte ältere Damen für einen Kinderschänder halten, als sie ihn mit Patenenkel Viktor sehen. Dessen Mutter ist eine alleinerziehende Russin (Palina Rojinski). Ihr Sohn würde gern von Gerhard lernen, wie er sich gegen die Mobber in seiner Schule wehren kann. Der homosexuelle Leihopa weiß zwar, wie sich Diskriminierung anfühlt, hat es aber immer vorgezogen, sich möglichst unsichtbar zu machen.
Dass die durchweg namhaften erwachsenen Mitglieder des Ensembles ihre Sache vorzüglich machen, ist keine Überraschung, weshalb der eigentliche Respekt Groos’ Arbeit mit den Kindern gilt. Die sind in dieser Geschichte als eigentlicher Motor der Handlung weit mehr als bloß kleine Mitläufer, haben zum Teil durchaus anspruchsvolle Dialoge und müssen in den situationskomischen Momenten spontan wirken; das gelingt ihnen ausnahmslos vorzüglich.
Bei Julius Maximilian Weckauf war das zu erwarten, der Darsteller des lebhaften Lennie hat sich schon als kleiner Hape Kerkeling in der Verfilmung von dessen autobiografischem Bestseller "Der Junge muss an die frische Luft" als Naturtalent erwiesen. Die anderen Kinder (Bruno Grüner als Viktor, die Zwillinge Luise und Julia Gleich als Leonie) hatten bis zu diesem Film jedoch kaum Kameraerfahrung. Sehr präsent ist auch Heiner Lauterbachs Tochter Maya (als Janniks ältere Schwester), mittlerweile eine junge Frau, die schon einige Male an der Seite ihres Vaters zu sehen war.
Wolfgang Groos hat bereits des Öfteren gezeigt, dass er nicht nur gut mit Kindern kann: Serien wie "Rennschwein Rudi Rüssel" oder zuletzt "Mein Freund das Ekel" sowie Kinoproduktionen wie "Die Vampirschwestern" oder "Rico, Oskar und das Herzgebreche" waren stets ein großer Spaß für die ganze Familie. Das gilt auch für "Enkel für Anfänger": Der Film ist eine Mehr-Generationen-Komödie im besten Sinne.