TV-Tipp: "Sommerfest"

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17. Juni, One, 21.00 Uhr
TV-Tipp: "Sommerfest"
In erster Linie ist "Sommerfest" jedoch eine Hommage ans Ruhrgebiet. Der melancholische Film, eine gelungene Mischung aus Drama und Komödie, basiert auf dem gleichnamigen Roman des bekennenden Bochumers Frank Goosen (Kiepenheuer & Witsch).

Der Stoff ist bei Sönke Wortmann schon allein aufgrund verschiedener biografischer Parallelen in den besten Händen. Die Geschichte steckt voller nostalgischer Erinnerungen an die vermeintlich gute alte Zeit, als das Revier noch florierte, weil Zechen und Stahlwerke für Umsatz sorgten. Wortmann stammt aus Marl. Die Stadt des Grimme-Preises liegt zwar am Rand des Ruhrgebiets, aber Bergbau gab es hier auch; Wortmann senior war Bergmann. 

Der Regisseur, seit knapp dreißig Jahren dank Werken wie "Allein unter Frauen" (1991), "Der bewegte Mann" (1994), "Das Wunder von Bern" (2003) oder der TV-Serie "Charité" (2017) einer der erfolgreichsten deutschen Filmemacher, hat Goosens Vorlage geschickt adaptiert und einige kleine, aber entscheidende Änderungen vorgenommen: Im Film (eine Wiederholung aus dem Jahr 2018) stirbt nicht der Onkel, sondern der Vater; dafür fällt das titelgebende Fest eine Nummer kleiner aus und findet nicht auf der gesperrten Autobahn A40, sondern auf dem Gelände eines Sportvereins statt. Dem Rahmen und vor allem dem Geist des Romans ist Wortmanns Drehbuch jedoch treu geblieben: Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters kehrt der Münchener Theaterschauspieler Stefan (Lucas Gregorowicz) nach 15 Jahren in seine alte Heimat Bochum zurück, um die Beerdigung zu organisieren und einen Makler für sein Elternhaus zu finden. Weil er sonst nichts zu tun hat, sucht er die Orte seiner Jugend auf und trifft auf frühere Weggefährten, die anders als er nie eine Veranlassung gesehen haben, ihre Heimat zu verlassen; und er begegnet Charlie, seiner Jugendliebe. 

Wortmann verzichtet jedoch auf eine Dramaturgie im klassischen Sinn. "Sommerfest" ist eine Sammlung von Augenblicken. Die Handlung wirkt mitunter wie ein Vorwand für eine Odyssee durch Zeit und Raum: Kumpel Toto (Nicholas Bodeux) soll in Gladbeck einen Schrank abholen und bittet Stefan um Hilfe; die Fahrt führt beide an den Rand der Gesellschaft und konfrontiert den Schauspieler mit einem Dasein, das den denkbar größten Gegensatz zum Münchener Kulturbetrieb darstellt. Eher aus dem Zusammenhang wirkt dagegen eine Führung durch das von einem Freund (Peter Jordan) geleitete Bergbaumuseum. Regelrecht niederschmetternd ist schließlich das Schicksal von Murat (sehr sympathisch verkörpert vom deutschen U20-Nationalspieler Görkem Sa?lam), einem begnadeten jungen Kicker, der gerade einen Profivertrag beim VfL Bochum unterschrieben hat und besser nicht noch ein letztes Mal für seinen alten Club aufgelaufen wäre. 

Es ist vor allem die Leistung von Lucas Gregorowicz, die diese lose aneinandergereihten Erlebnisse miteinander verknüpft, zumal auch er eine passende biografische Vorgeschichte mit bringt: Er ist wie so viele Menschen im Ruhrgebiet ein Kind polnischer Einwanderer und in Bochum aufgewachsen. Während Wortmann um die Hauptfigur herum viele Originale gruppiert hat, die den richtigen Zungenschlag mitgebracht haben, wird die Besetzung der zweiten Hauptrolle deutlich schwieriger gewesen sein, schließlich ist von Charlie über weite Strecken erst mal nur die Rede. Aber auch in dieser Hinsicht hat der Regisseur mit Anna Bederke den richtigen Griff getan: Die Schauspielerin hat genau die richtige leicht geheimnisvolle Ausstrahlung für diese Rolle, die im Rahmen der Handlung fast zum Mythos wird, bis sie endlich leibhaftig auftaucht. Natürlich werden wie immer in solchen Geschichten prompt die alten Gefühle wieder lebendig, doch dann begeht Stefan einen entscheidenden Fehler; aber er hat den Besuch in der alten Heimat ja ohnehin nur als Stippvisite betrachtet. 

Mindestens genauso schön wie die romantische Ebene sind die beiläufig einstreuten Humoresken. Wenn die Leute erfahren, dass Stefan Schauspieler ist, stellen sie ihm unweigerlich jedes Mal die gleiche Frage: "Muss man dich kennen?" Der Held wiederum hat Alpträume davon, als Seriendarsteller in einer Vorabend-Soap zu enden. Ebenso sympathisch wie der meist beiläufig inszenierte Humor ist auch die Verbeugung vor dem ganz speziellen Menschenschlag im Ruhrgebiet: kernig zwar, aber immer geradeheraus; und selbst als verkrachte Existenz nie um einen Spruch verlegen. Nebenbei setzt sich "Sommerfest" auch mit dem Strukturwandel dieser Region auseinander, die einst das industrielle Herz der alten Bundesrepublik war und heute einen hartnäckigen Kampf gegen den Zahn der Zeit führt.

Wer dem Film Böses will, kann ihn allerdings auch als Ansammlung aller nur denkbaren Ruhrgebietsklischees betrachten, die zudem romantisch verklärt werden. Als Dreingabe gibt’s Gastauftritte unter anderem von Jasna Fritzi Bauer und Janina Fautz. Liebhaber der Region werden sich über bekannte Schauplätze wie den Bismarckturm, die Zeche Hannover und den Kemnader See freuen, Goosen-Fans über einen Gastauftritt des Autors als "Stadion"-Sprecher; und die Gitarrenmusik von Martin Todsharow ist einfach klasse. Eine der schönsten und aufwändigsten Szenen hebt sich der Film allerdings für den Schluss auf, als Stefan im Laufschritt die Schauplätze seiner Jugend abklappert, dabei immer jünger wird und schließlich als Elfjähriger sein Ziel erreicht.