Ähnlich wie die Sonntagskrimis im "Ersten" sind die österreichischen "Landkrimis" eine Art Wundertüte. Die Teams und somit auch die Schauplätze wechseln ebenso regelmäßig wie die jeweilige Handschrift. Auch die Qualität ist mal so, mal so - was erklären dürfte, warum das ZDF die Importe lieber an lauen Frühlingsabenden ausstrahlt, wenn der Tag länger und das potenzielle Publikum zahlenmäßig kleiner wird.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Als Marke konnten sich bislang allerdings nur die Geschichten aus der Steiermark etablieren; die "Steirer-Krimis" hat sich prompt die ARD gesichert. "Flammenmädchen" ist bereits der dritte Film aus dem Salzburger Land, aber die bisherigen Auftritte des Duos Manuel Rubey und Stefanie Reinsperger waren eher durchwachsen: Das Spektakulärste an "Drachenjungfrau" (2016, im ZDF aber erst 2018) waren die imposanten Aufnahmen der Krimmler Wasserfälle, und "Das dunkle Paradies" (im ZDF 2020) verlor sich viel zu sehr im Privatleben der Polizistin, die es nicht schaffte, ihrer konservativen Familie beizubringen, dass sie lesbisch ist.
Mit ihrem dritten Anlauf, "Flammenmädchen", hat Regisseurin Catalina Molina nun ein krimiwürdiges Spannungsniveau gefunden, zumal diesmal auch die Kombination von Ermittlungsebene und Privatleben gut gelingt. Titelfigur ist ein circa 15 Jahre altes Mädchen, das von seinem Vater ständig als "Trampel" bezeichnet wird. Außenseiterin Sophie (Annika Wonner) hat einen eigenwilligen Weg gefunden, die Welt für ihren Schmerz büßen zu lassen: Seit Monaten wird das Dorf von einem Feuerteufel heimgesucht.
Bislang ist dabei niemand zu Schaden gekommen, weil es meist Scheunen waren, die ein Opfer der Flammen geworden sind, aber nun ist in einem seit Jahren leerstehenden Haus ein junger Mann verbrannt; deshalb wird die Serie von Brandstiftungen ein Fall für Martin Merana vom Salzburger LKA. Die Kollegin Heilmayr hat mittlerweile die Nachfolge ihres Vaters angetreten und leitet den örtlichen Polizeiposten.
Weil Drehbuchautorin Sarah Wassermair, die auch "Das dunkle Paradies" geschrieben hat, bereits zu Beginn preisgibt, wer das Feuer gelegt hat, hält sich die Krimispannung zumindest in dieser Frage auch diesmal in Grenzen: Sophie hatte offenkundig keine Ahnung, dass sich jemand in dem Haus aufgehalten hat. Rätselhaft ist der Fall trotzdem: Bei der Obduktion der Leiche stellt sich raus, dass der junge Mann mit K.o.-Tropfen betäubt worden ist. Jetzt wird die Geschichte interessant: Je tiefer Merana und Heilmayr graben, desto mehr Unrat kommt zum Vorschein.
Die interessanteste Figur neben dem Titelmädchen ist der örtliche Feuerwehrchef, der von einer Defensive in die nächste gerät: Anfangs muss Andreas Moser (Simon Schwarz) seine Truppe vehement gegen die Unterstellung verteidigen, einer seiner Kollegen sei der Brandstifter, dann stellt sich raus, dass das Opfer sein Sohn ist; und in dessen Vergangenheit stößt das ermittelnde Duo auf allerlei Ungereimtheiten.
Simon Schwarz war auch der Hauptdarsteller von Molinas bislang bestem Film: "Das Glück ist ein Vogerl" (2020) war eine wundervoll gespielte schmerzlich-schöne Tragikomödie über einen Musiklehrer, der nach einem Verkehrsunfall von einem ganz speziellen unsichtbaren Freund heimgesucht wird. In "Flammenmädchen" ist seine Rolle aus naheliegenden Gründen weitaus weniger heiter.
Amüsant ist der Film zumindest stellenweise trotzdem: Im Rahmen der Ermittlungen trifft Merana auf eine Frau, in die er als Teenager ziemlich verliebt war. Moser ist Immobilienhändler, sein Sohn hat ein Geschäft eingefädelt, bei dem Marlies Hochgatterer (Christina Trefny) ziemlich über den Tisch gezogen worden ist. Damit hätte sie zwar ein Motiv, aber ihr Alibi ist hieb- und stichfest, weshalb einer Affäre nichts mehr im Wege steht; eingefädelt wird sie durch Meranas Oma, die das Paar sehr zur Freude von Heilmayr ungeniert miteinander verkuppelt.
Für die Polizistin haben sich Wassermair und Molina, die am Drehbuch beteiligt war, ebenfalls einen Nebenstrang ausgedacht, der mit dem Fall verbunden ist: Ihr Vater und Vorgänger hat offenbar mal gemeinsame Sache mit Moser gemacht; der Schlüssel zur Lösung des aktuellen Falls findet sich in der Vergangenheit.
Sehenswert ist "Flammenmädchen" vor allem wegen der gut eingefangenen Atmosphäre und der sichtbar sorgfältigen Bildgestaltung (Klemens Hufnagl). Stefanie Reinsperger ist für ihre Rolle beim österreichischen Film- und Fernsehpreis "Romy" als beliebteste Schauspielerin ausgezeichnet worden, Annika Wonner war in der Kategorie "Entdeckung weiblich" nominiert.