Dariusz Bruncz von ewangelicy.pl war dabei und schildert hier seine Eindrücke.
Erste Frauenordination in Polen war möglich dank des Votums der Kirchensynode vom 16. Oktober 2021, die mit Zweidrittel-Mehrheit die Kirchensatzung ändern ließ.
Früher durften Theologinnen "nur" zu Diakoninnen ordiniert werden. Nach der vorletzten Gesetzesänderung war es ihnen erlaubt, auch Abendmahlsgottesdiensten vorzustehen, was eigentlich schon davor praktiziert wurde, aber sie durften bisher keine Gemeinde leiten und mussten einen Pfarrer für Verwaltungsangelegenheiten als "Aufseher" bekommen. Der Synodenbeschluss hat Ungereimtheiten und Widersprüche im Amtsverständnis, aber vor allem in der kirchlichen Praxis entfernt. So gilt seit dem vergangenen Samstag: Es gibt jetzt evangelisch-lutherische Pfarrerinnen in Polen - ohne Wenn und Aber.
In Anwesenheit vieler Gläubigen und Glaubensgeschwister aus der lutherischen Weltkirche sowie ein paar ökumenischen Gästen aus einzelnen protestantischen Kirchen, haben neun evangelische Theologinnen ihren Ordinationseid geleistet.
Symbolträchtiger für dieses historische Ereignis hätte es nicht sein können: Beim Einzug in die Kirche wurde die Originalausgabe der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Brester-Bibel in die Kirche hineingetragen, auf die dann die Ordinierten ihren Eid leisteten.
Manche Frauen haben nur ein paar Jahre, manche aber 40 Jahre gewartet. Warum kommt es so spät? "Hat es deswegen so lange gedauert, weil ihr schlechtere Leistungen erbracht oder ineffizienter als männliche Theologieabsolventen gearbeitet habt? Nein! Die Kirche hat eure Berufung nicht erkannt! Die Antwort aufs Warum kenne ich nicht, aber alles hat seine Zeit und heute ist die Zeit der Freude", sagte leitender Bischof Jerzy Samiec in seiner Ansprache, selbst früher Gegner der Frauenordination.
Traditionsgemäß wurden die Ordinierten durch die Anrufung des Heiligen Geistes im altkirchlichen Hymnus "Komm, Heiliger Geist", das Gebet und die Handauflegung ordiniert. Danach wurden ihnen über ihre Talare ein Chorhemd überzogen. Es handelt sich um das in Polen übliche liturgische Gewand, das die Pfarrer und seit jetzt auch Pfarrerinnen in manchen Regionen nur bei Hochfesten benutzen - und anderswo sonntäglich. Die neu Ordinierten werden mit Chorhemd eingekleidet, damit sie sich an die Reinheit des verkündigten Wortes und der gespendeten Sakramente und erinnern.
Es mangelte nicht an berührenden Momenten, etwa bei der Handauflegung der Ordinationsassistenten, bei denen es sich mehrfach um Ehemänner, Söhne oder andere Familienangehörige handelte. Einer – der Pfarrer aus Stettin Slawomir Sikora - konnte seine Tränen nicht verbergen und rang um Fassung, als er das biblische Votum über seiner Frau Izabela aussprach. Nicht weniger berührend war die Reaktion der Festgemeinde, als sich die frisch ordinierten Pfarrerinnen zur Gemeinde umdrehten: Sie bekamen stehenden Applaus. Das sei im liturgischen Ablauf nicht vorgesehen, kommentierte Bischof Samiec sichtlich erfreut.
Als erste wurde Pfarrerin Halina Radacz aus Zyrardow bei Warschau ordiniert. Sie ist nicht nur Theologin, sondern auch Chefin der Ökumenischen Redaktion beim Polnischen Staatsfernsehen. In ihrer Predigt betonte sie, in der Kirche müsse das Recht der Liebe unter den Jüngerinnen und Jüngern Jesu walten und heute mache die Kirche einen großen Schritt auf diesem Weg.
Grußworte kamen auch aus der lutherischen Familie – der estnische Erzbischof Urmas Viilma, der als Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes (LWB) fungierte, gratulierte der polnischen Kirche. Segenswünsche kamen auch vom ungarischen leitenden Bischof Tamas Fabiny, der als Präsident auch den Martin-Luther-Bund repräsentierte.
Die lutherischen Kirchen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) hat Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, vertreten. Auch Vertreter:innen aus den evangelisch-unierten Partnerkirchen - aus Berlin-Brandenburg (EKBO) und Hessen-Nassau (EKHN) - waren mit dabei.
Die Warschauer Ordination hat große Aufmerksamkeit in polnischen Medien geweckt, die sonst kaum Interesse an der 65.000-starken Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen haben. Im Internet und in mehreren Medien wird über das Ereignis berichtet.
Es gilt jetzt noch eine kleine "Hürde" zu bewältigen, und zwar die sprachliche. Anders als in der deutschen Sprache ist es im Polnischen manchmal sehr schwierig, weibliche Substantivformen zu entwickeln. Das in der polnischen Sprache übliche Wort für einen Pfarrer "ksiądz" hat keine weibliche Form und muss mit Grammatikgymnastik in maskuliner Deklination hin und her eingeübt werden, da es (noch) keine zufriedenstellende Entsprechung gäbe. Aber im Vergleich mit dem langen Wüstengang schaut man auf solche sprachlichen Herausforderungen eher mit großer Freude.