Mit Hoffnungsrede gegen Hate Speech vorgehen

Illustration von zwei Menschen, die sich durch Gedanken und Reden beeinflussen
© Getty Images/iStockphoto/Benjavisa
Gegen Hass im Internet lässt sich gemeinsam vorgehen.
Christlich motivierte Hassrede
Mit Hoffnungsrede gegen Hate Speech vorgehen
Auch Christ:innen sind nicht vor Hass im Internet geschützt. Hate Speech verantwortungsvoll entgegenzutreten, ist auch ein Akt der Nächstenliebe. evangelisch.de-Social Media-Mitarbeiterin Leonie Mihm klärt auf.

"Der Teufel steckt auch im Netz!" Mit dieser Aussage hatte das Projekt "Netzteufel" der Evangelischen Akademie Berlin Wellen geschlagen. Das Projekt wurde von 2017 bis 2019 unter anderem von Mitteln von "Demokratie Leben!" gefördert und hatte sich einer besonderen Aufgabe angenommen: Christlich motivierte Hassrede im Netz analysieren und Handlungsmöglichkeiten entwickeln, um mehr Liebe als Hass zu verbreiten. Obwohl das Projekt mittlerweile eingestellt wurde, hat es keineswegs an Relevanz verloren. 

Aber von vorne: Was ist Hate Speech, also Hassrede? Wer sich auf Social-Media-Plattformen bewegt, wird früher oder später über Hass und Hetze stolpern, doch nicht jede missgünstige Aussage ist Hassrede. Das "No Hate Speech Movement" gibt für das Phänomen folgende Definition: "Als Hassrede bezeichnen wir sprachliche Handlungen gegen Einzelpersonen und/oder Gruppen mit dem Ziel der Abwertung oder Bedrohung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer benachteiligten Gruppe in der Gesellschaft. Die Person oder Gruppe muss dafür rein zahlenmäßig nicht in der Minderheit sein, andersherum sind Minderheitengruppen nicht automatisch benachteiligt." 

Es geht dabei auch um einen weiteren geflügelten Begriff: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (kurz: GMF). Spezifischer: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die durch sprachliche Handlungen ausgedrückt wird. GMF kann sich gegen Menschen richten, die einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zugeordnet werden, egal ob sie sich selbst dieser Gruppe zugehörig fühlen oder nicht. Beispiele für GMF sind Sexismus, Ableismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit oder Abwertung von Arbeitslosen. Sprache kann abwerten, ebenso kann dies durch Blicke, physische Gewalt oder diskriminierende Gesetze geschehen. Nicht jeder Shitstorm ist demnach Hate Speech. Und Hate Speech existiert nicht nur im Netz, sondern in allen gesellschaftlichen Sphären.

Hass ist eine Haltung, die sich verändern lässt

Das Verbreiten von Hass ist das Ausdrücken einer bestimmten Haltung. Damit wird die eigene Position aufgewertet und die andere abgewertet, ohne dass dafür tatsächliche Argumente zum Zug kommen müssen. Es ist eine Form von Macht- und Gewaltausübung. 

Auch Christ:innen können sich dafür entscheiden, Macht sprachlich gegen andere Menschen zu verwenden. Die vermeintlich christliche Argumentation ist dabei ein Instrument, welches ausdrückt "Ich bin im Recht" und "Gott legitimiert meine Aussage". Das ist gefährlich. Aus Sprachhandlungen kann sehr schnell körperliche Gewalt werden und sie tragen zur Verstärkung von Ungerechtigkeiten bei. Denn sie begünstigen Bedrohungs- und Angstbilder und Umkehrungen von Opfer- und Täterverhältnissen. Typische Narrative, die zur Hassrede im Namen christlichen Glaubens zählen, sind beispielsweise "Der Islam bedroht uns", "Wir leben in einer Meinungsdiktatur", "Homosexualität bedroht Gottes Ordnung" oder "Flüchtlinge sind eine Gefahr für Volk und Glauben." Das hatte das Projekt "Netzteufel" herausgefunden. 

Es ist nicht möglich, eine einfache Erklärung für den Grund von Hassrede zu finden. Gefühle und Beweggründe von Menschen sind sehr komplex und mit politischen und psychologischen Komponenten verwoben. Es gibt demensprechend keine einfache Antwort auf die Frage, warum es Hass im Netz gibt. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass durch öffentliche Aussagen, Gefühle wie Kontrolle, Macht und Überlegenheit erzeugt werden können, vor allem, wenn die Debatte durch Aussagen gelenkt und manipuliert werden kann. Außerdem ist Hassrede ein sehr politisches Thema. Denn durch die Normalisierung von Hass gegen bestimmte Menschengruppen wird die Abwertung dieser Menschen salonfähig und allgegenwertig.

Hassrede, die christlich argumentiert wird, kann aus unterschiedlichen Motiven verwendet werden. Zum einen bietet die christliche Religion eine vermeintliche Legitimationsgrundlage, denn sie ist in Deutschland gesellschaftlich anerkannt. Viele Menschen würden dem zustimmen, dass das Christentum Teil der deutschen Kultur ist. Daher muss in vielen Fällen das Argument nicht logisch zur Behauptung passen, es füllt lediglich die Lücke der fehlenden Begründung in der Hassrede und ist letztendlich eine Illusion des Mehrwissens. Ein christliches Argument kann somit wie ein "Freifahrtschein" wirken, um die diskriminierende Haltung nach außen tragen zu "dürfen". Ein Narrativ, um diese Form zu verdeutlichen, wäre beispielsweise "Wir brauchen keine Impfung. Gott hat uns ein Immunsystem geschenkt". 

Zum anderen gibt es im Christentum radikale Strömungen, die Menschenfeindlichkeit nutzen, um sich von anderen abzugrenzen und ihre Haltungen beispielsweise mit der Bibel begründen. Bei dieser Form von christlich motivierter Hassrede steht die Nennung von christlichen Motiven nicht nur für eine Argumentationsstruktur, sondern ist tief ideologisch mit dem Glauben und der Identität der Menschen verwurzelt. Ein Narrativ für diese Form wäre unter anderem "Gott hasst die Sünde, aber liebt den Sünder."
Motive für christlich motivierte Hassrede sind aber weitaus vielfältiger, komplexer und miteinander verwoben als diese beiden Beispiele.

Wege gegen Hate Speech

Es gibt Strategien, um Hate Speech zu entgegnen. Die Menschen bei "Netzteufel" hatten sich den Begriff "Hope Speech" ausgesucht, um Handlungen zu beschreiben, die sich gegen Hassrede einsetzen. Hope Speech bedeutet Hoffnungsrede im Deutschen. Um Hoffnungsrede umzusetzen, ist wichtig zu wissen: Man kann immer entscheiden, wann man die emotionale Kapazität hat, um eine Diskussion zu führen. Debatten führen im Internet selten dazu, dass sich die Konfliktparteien annähern und Meinungen geändert werden. Trotzdem ist es wichtig in die Diskussion zu gehen, wenn die Möglichkeit besteht. Denn das ist vor allem für die Menschen wichtig, die Kommentare nur lesen und ihre Meinung nicht schreiben. Ohne Hoffnungsrede können Hasskommentare subjektiv laut und vorherrschend wirken, selbst wenn die Kommentierenden nur einen Bruchteil der Lesenden repräsentieren.

Strategien für Hoffnungsrede sind beispielsweise neben der Diskussion, ironisch auf Kommentare zu antworten, sich mit Betroffenen zu solidarisieren, Rückfragen zu stellen, das Thema zu wechseln, die Hassrede zu melden und anzuzeigen oder auch den Kommentar zu ignorieren. Es kann auch sehr viel Spaß machen an Hoffnungsrede teilzunehmen. Zum Beispiel kann man Freund:innen einladen, gemeinsam hasserfüllte Kommentarspalten mit Herzchen und Regenbögen zu füllen. Hoffnungsrede ist wichtig, um Menschen von Nächstenliebe und Gerechtigkeit zu überzeugen. 

Der Teufel steckt also manchmal auch im Netz. Damit der digitale Raum ein Ort der Meinungsfreiheit und der Debatte auf Augenhöhe bleibt, kann Hoffnungsrede eine Art sein, wertschätzender miteinander zu kommunizieren.