Es gibt ein paar Bedingungen, aber die sind nicht ehrenrührig: Die drei dürfen niemandem von der Abmachung erzählen, auch nicht der eigenen Familie. Sie müssen sich jeden Freitag in einem Notariat einfinden und von ihren Fortschritten berichten; der Wohltäter beobachtet die Sitzung per Webcam. Sollte einer von ihnen irgendwann ausscheiden, ist der Deal auch für die beiden anderen geplatzt. Natürlich fragen sich Anwältin Ines (Katharina Schüttler), Mathematiker Jasper (Manuel Rubey) und Kleinunternehmer Firat (Ekrem Bora alias Eko Fresh), warum jemand wildfremden Leuten ohne nennenswerte Gegenleistung drei Millionen Euro überlässt. Die Antwort ist einfach: Gottlieb Herzinger (Branko Samarovski) ist ebenso reich wie einsam. Den Lebensabend vertreibt er sich mit dem Beobachten von Vögeln. Als eines Tages ein Luftballon mit einer Weihnachtswunschkarte in seinem großzügigen Anwesen am Starnberger See landet, bringt ihn das auf die Idee, dass es viel interessanter sein könnte, Menschen zu beobachten. Auf dem Zettel haben Ines’ Kinder im Rahmen einer Kita-Aktion notiert, dass sich ihre Eltern nicht mehr streiten sollen; und eine neue Vase wäre prima, denn die alte ist beim letzten Ehekrach zu Bruch gegangen. Also arrangiert Gottlieb eine vermeintlich zufällige Spielplatzbegegnung mit den Gattinnen Simone (Lena Dörrie) und Natascha (Karolina Lodyga). Dritter im Bunde ist Max (Sergej Moya), ein begnadeter Pianist, dessen Kunst allerdings brotlos ist; deshalb ist Ines die Ernährerin der Familie. Von seinem Plan erzählt Gottlieb diesem Trio nichts, aber natürlich wundern sich die drei, dass Jasper, Firat und Ines neuerdings jeden Freitag um 18 Uhr verschwinden, und jetzt geht die "Was wäre, wenn"-Geschichte im Grunde erst richtig los. Es entsteht eine Dynamik, die sämtliche Beteiligten aus ihrem Alltagstrott wirft, neue Reizpunkte in den Beziehungen setzt und schließlich zu einem verblüffenden Rollentausch führt: Plötzlich finden sich Ines, Jasper und Firat auf der Spielplatzbank wieder.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dank der sechs Folgen à 45 Minuten können sich Michael Hofmann (auch Regie) und Bert Koß viel Zeit für ihre Figuren nehmen. Abgesehen von dem wöchentlichen Termin ändert sich im Leben des Trios zunächst nichts. Da das Glück keine Voraussetzung für die Auszahlung der Million ist, müssen sie sich nicht mal Mühe geben. Die ersten Treffen verlaufen daher auch eher einsilbig und werden vor allem vom leutseligen Firat bestritten. Nach und nach aber tauen auch die beiden anderen auf. Das am Arbeitsplatz gemobbte Zahlengenie signalisiert mit der gesamten Körpersprache Abwehr, doch dann entwickelt der buchstäblich bis obenhin zugeknöpfte Mann ein gewisses Zutrauen: zu Ines und Firat, aber auch zum Leben. Ausgerechnet der Autist mit seiner ausgeprägten Aversion gegen Unwägbarkeiten sorgt für die meisten Überraschungen.
Hofmann hat seit seinem Regiedebüt "Der Strand von Trouville" (1998) gerade mal eine Handvoll Filme gedreht, darunter "Sophiiiie!" (2002) mit Katharina Schüttler, aber die waren alle sehenswert; mit Grimme-Preisträger Koß ("Zuckersand", 2017) hat er auch zuletzt bei "Nimm du ihn" (2019) zusammengearbeitet, einer Komödie über drei Geschwister, die keine Lust haben, sich um ihren lange verschollenen Vater (ebenfalls Samarovski) zu kümmern. Die Idee zu "Die Glücksspieler" basiert auf dem Widerspruch zwischen dem Bewusstsein, dass Geld nicht glücklich macht, und der Realität: In westlichen Gesellschaften gilt dennoch das gesamte Streben der Vermehrung des Einkommens. Für die Botschaft der Geschichte steht ein Buch, das ein Buchhändler Ines empfiehlt: "Das Glück schreibt mit weißer Tinte". Den Aphorismus haben Hofmann und Koß zwar nicht erfunden, aber der Effekt ist dennoch verblüffend, denn das Buch besteht aus unbedruckten Seiten: Das Leben ist ein Roman, den jeder Mensch selber schreibt.
So bedeutungsschwer hat das Autorenduo sein Drehbuch allerdings gar nicht konzipiert. Neben den ausnahmslos ausgezeichnet gespielten Szenen dreier Ehen, die den Dramenanteil bilden, erfreut die Serie gerade dank Eko Fresh durch allerlei Heiterkeiten. Firat besitzt eine Straßenreinigungsfirma. Die Geschäfte laufen schlecht, was seine notorisch gute Laune jedoch allenfalls vorübergehend trüben kann. Gerade die kleinen Scharmützel mit seiner Sekretärin (Ricarda Seifried) sind äußerst amüsant. Firat pflegt eine Liebschaft mit Frau Unger (Bettina Mittendorfer) von der Stadtverwaltung, die für die Auftragsvergabe zuständig ist. Die Idee, wie ihr Schoßhund über den Umweg durch die Innereien einer Kehrmaschine bei Jaspers Familie landet, ist ebenso originell wie das unwiderstehliche Angebot, das Natascha einem Konkurrenten des Gatten macht. Für die filmische Umsetzung gilt das nur bedingt. Es gibt einige schöne Bilder wie das der in den Himmel aufsteigenden roten Kita-Luftballons, doch ansonsten ist die Bildgestaltung (Christian Marohl) zwar sorgfältig, aber eher unauffällig, erst recht im Gegensatz zur abwechslungsreichen Musik (Daniel Sus und Matthias Klein) und den mitreißenden Jazz-Auftritten von Max und seiner Band. Ganz famos sind dagegen die Dialoge, zumal Hofmann auch die Kinder herausragend gut geführt hat. Spätestens die Schlussszene verdeutlicht die zweite Botschaft der Serie: Glück und Vas’, wie leicht bricht das.
Das "Erste" zeigt die Serie mittwochs in Doppelfolgen. Sie steht bereits komplett in der ARD-Mediathek.