Als die Reihe "Die Toten von Salzburg" 2016 gestartet ist, waren die ersten Filme fast mehr Komödie als Krimi. Sie lebten vor allem von den verschiedenen Temperamenten der beiden Hauptfiguren: Der Salzburger Major Peter Palfinger (Florian Teichtmeister) sitzt seit einem Gleitschirmunfall im Rollstuhl; er neigt zu einem gewissen Sarkasmus, ist aber nicht verbittert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Sein Kollege aus Traunstein, Kriminalhauptkommissar Hubert Mur (Michael Fitz), ist dagegen das Musterexemplar eines bayerischen Grantlers. Die beiden Männer verband eine herzliche Abneigung, zumal sie sich ständig darum stritten, in wessen Zuständigkeit die grenzüberschreitenden Mordfälle lagen.
Zum Glück hat Regisseur Erhard Riedlsperger, der meist auch an den Drehbüchern beteiligt ist, nicht den Fehler begangen, jeden Film aufs Neue rund um dieses Kompetenzgerangel zu erzählen. Die Polizisten entwickeln im Verlauf ihrer gemeinsamen Ermittlungen wenn schon keine Sympathie, dann zumindest Respekt voreinander. Mit der dritten Episode ("Königsmord", 2018) schien sich die Reihe endgültig Richtung Schmunzelkrimi zu bewegen, aber im vierten Film ("Mordwasser", 2019) hat Riedlsperger die komischen Momente deutlich reduziert.
Das gilt auch für "Wolf im Schafspelz" (TV-Premiere war 2019), weshalb Zuschauern, die das mürrische Mit- und Gegeneinander der beiden Polizisten anfangs als amüsantes ZDF-Pendant zum "Tatort" aus Münster begrüßt haben, womöglich enttäuscht sein werden. Die Geschichte klingt gleichfalls handelsüblich: Nach der Ermordung eines Kapuzinermönchs stellt sich raus, dass dieser Bruder Jakob in Wirklichkeit ein deutscher Investment- Berater war, der Mafia-Geld veruntreut hat. Er ist zwecks Zeugenschutz inkognito im Salzburger Kloster unter- und kurz vor Prozessbeginn gegen den Mafia-Repräsentanten Sturm (Nicki von Tempelhoff ) umgebracht worden.
Für Mur ist die Sache klar: Die organisierte Kriminalität hat sich gerächt. Zuvor ist bereits die engste Mitarbeiterin von "Bruder Jakob" ermordet worden; sie war die Tochter von Murs Mentor und einstigem Ausbilder Wacker (Max Herbrechter). Der Kommissar ist überzeugt, dass Sturm die junge Frau auf dem Gewissen hat, aber er konnte ihm nichts nachweisen. Weil er dem Mann auch jetzt wieder auf die Pelle rückt, wird er von dem Fall abgezogen und später suspendiert. Natürlich lässt er trotzdem nicht locker und gerät in eine Falle, die Palfingers Mitarbeiterin Russmeyer (Fanny Krausz) fast zum tödlichen Verhängnis wird.
Die Geschichte hätte sich gut als Thriller verfilmen lassen, aber darauf hat Riedlsperger verzichtet und stattdessen dank einiger heiterer Situationen einen reizvollen Mittelweg gefunden.
Mitunter wird der Film auch richtig romantisch. Die Gespräche der Brüder Palfinger drehten sich bislang gern um die Libido: Peter will, kann aber nicht. Sebastian (Simon Hatzl) ist katholischer Priester und Sekretär des Erzbischofs; er könnte zwar, darf und will aber nicht. Stefan Brunner, der auch "Königsmord" geschrieben hat und am zweiten Film ("Zeugenmord", 2018) als Koautor beteiligt war, hat diese Vorzeichen nun radikal geändert: Dank des liebevollen Engagements seiner Ärztin (Anna Unterberger) kann Peter wieder, und auch Sebastian hat sich offenbar nicht an den Zölibat gehalten.
Zumindest behauptet eine Frau, er habe sie geschwängert; nun soll er sich gefälligst zur Vaterschaft bekennen, was seinen irdischen Chef etwas verärgert. Zur Wahrheitsfindung hat diese Nebenebene zwar nicht viel beizutragen, aber sie sorgt auch dank der schlüssigen Kombination mit dem Rest der Geschichte dafür, dass Major Palfinger eine deutlich komplexere Figur wird. Und weil es zur unverhofften Annäherung zwischen Mur und seiner Ex-Frau kommt, darf auch der Bayer halbwegs frohgemut in die Zukunft blicken.
"Wolf im Schafspelz" ist ohnehin rundum gelungen, was sicher auch mit der Eingespieltheit der Teams vor und hinter der Kamera zu tun hat. Kai Longolius (Bildgestaltung) zum Beispiel hat in einigen Szenen für ein überirdisch strahlendes Licht gesorgt und die brüderlichen Zwiegespräche auf einem Dach für imposante Aufnahmen vom nächtlichen Salzburg genutzt.
Die kleinen Eitelkeiten von Palfingers Chef erwecken nie den Eindruck, als seien sie bloß ein Vorwand, weil Erwin Steinhauer auch irgendwie mitwirken muss; Helmut Bohatsch genügen wenige Momente, um die Blasiertheit des typischen österreichischen Caféhaus-Kellners zu verkörpern. Prägnant sind auch die kurzen Auftritte von Ronald Seboth als indignierter Erzbischof, dem Palfinger ("Herr Eminenz") den Ringkuss verweigert, und Joachim Nimtz als Murs korrupter Vorgesetzter.
Teichtmeister und Fitz machen dank der Gegensätze von Figuren und Darsteller als Duo ohnehin großen Spaß, zumal sie ein ähnlich sparsames Spiel pflegen; und typische Informationsdialoge klingen gleich viel weniger aufgesetzt, wenn sie im Dialekt vorgetragen werden. Angesichts der überzeugenden Gesamtqualität stört es auch nicht weiter, dass routinierte Krimi-Fans früh ahnen werden, wer der Mörder ist.