Die deutsch-österreichische Fernsehfilmfreundschaft ist ein munter sprudelnder Quell, der ARD und ZDF seit vielen Jahren eine Vielzahl vorzüglicher Krimis beschert. Bei der ARD ist der MDR für die Zusammenarbeit mit dem ORF zuständig; hier hat die Kooperation allerdings in erster Linie zu Komödien geführt. Das gilt auch für diesen Film aus dem Jahr 2017 mit dem etwas einfallslosen Titel "Familie mit Hindernissen".
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Sophia Krapoth (Buch) und Oliver Schmitz (Regie) erzählen die Geschichte zweier Patchwork-Familien, die gemeinsam die Konfirmation der 14jährigen Tochter Saskia (Emilie Neumeister) feiern wollen. Schon die Vorbereitungen des Festes sind nicht ganz einfach. Der Tag selbst läuft dann derart aus dem Ruder, dass sich Saskias völlig überforderte Mutter Katrin (Nicolette Krebitz), dem Nervenzusammenbruch nahe, an den einzigen Ort zurücksehnt, an dem sie in den letzten 48 Stunden etwas Ruhe gefunden hat: eine Gefängniszelle.
Etwas ärgerlich ist allerdings, dass Krebitz die Ereignisse ständig in Richtung Kamera kommentieren muss; eine Maßnahme, die weder witzig noch notwenig ist. Dass Saskia ihre Mutter irgendwann fragt, mit wem sie da eigentlich die ganze Zeit rede, ist immerhin ein sympathisch selbstironischer Einfall. Davon abgesehen ist es weder Buch noch Regie gelungen, die vielen Vorfälle als Handlungsfluss zu erzählen, weshalb der Film recht episodisch wirkt.
Dass "Familie mit Hindernissen" trotzdem sehenswert ist, liegt zum einen am Einfallsreichtum des Drehbuchs, das seine Hauptfigur wie in einem Abenteuerfilm mit immer wieder neuen Herausforderungen konfrontiert, zum zweiten an den ausnahmslos guten Darstellern und zum dritten an der Relevanz des Themas.
Sophia Krapoths Komödien (zuletzt unter anderem "die Hochzeit meiner Eltern" mit Senta Berger und Günther Maria Halmer oder "Pilgerfahrt nach Padua") haben oft genug einen ernsten Hintergrund und würden auch als Dramen funktionieren. Das ist hier nicht anders: Gerade die Kinder leiden unter den neuen familiären Konstellationen, und die Eltern machen auch keinen rundum glücklichen Eindruck. Krapoth hat ein treffendes Bild dafür gefunden, was die Auflösung der ersten und die Neugründung einer zweiten Familie gerade mit den Jugendlichen anrichtet: Der ohnehin ständig bekiffte 16jährige Yannick (Oskar Bökelmann), der Sohn von Katrins neuem Lebensgefährten Philipp (Hary Prinz), veranstaltet unter Saskias Puppen und Plüschtieren ein Massaker, das er als künstlerische Installation versteht und in Anlehnung an Stephen King "Friedhof der Kuscheltiere" nennt.
Gleichfalls nicht gut drauf ist Saskias Vater: Frank (Juergen Maurer) hat Katrin wegen der deutlich jüngeren Julia (Lisa Bitter) verlassen, kriegt demnächst ein viertes Kind und erinnert sich angesichts von Julias Zickigkeit und seiner eigenen pränatalen Depression sehnsuchtsvoll an die schönen Zeiten mit Katrin; die wiederum stellt verbittert fest, dass sie mit Philipp die gleichen Diskussionen führt wie einst mit Frank.
Komplettiert wird das Gefühls-Chaos durch die Großeltern: Franks Mutter Diana (Daniela Ziegler) ist eine furchtbare Giftspritze, Katrins Mutter Renate (Marie Gruber) verkümmert an der Seite eines dominanten Mannes (Peter Prager), der sich derart prächtig mit Diana amüsiert, dass Renate ihren Kummer in Alkohol ertränkt. Zu allem Überfluss taucht auch noch Philipps Ex-Frau (Franziska Weisz) auf: Katrin und sie haben sich zufällig in einer Bar kennengelernt, sich gegenseitig ihr Herz ausgeschüttet und verblüfft festgestellt, dass sie über denselben Kerl reden.
Im Anschluss zeigt 3sat die Fortsetzung, "Trauung mit Hindernissen" (21.40 Uhr). Als Philipp Katrin mit einem liebevoll inszenierten gesungenen Heiratsantrag überrascht, bei dem das gesamte Kollegium als Tanzensemble mitwirkt, reißt sie ihn unsanft aus allen Träumen: Nach der Enttäuschung ihrer ersten Ehe will sie sich auf keine zweite einlassen. Prompt hat der abgelehnte Antrag eine tiefe Beziehungskrise zur Folge, und weil in Filmen dieser Art stets eins zum anderen kommt, findet Philipp Trost bei der attraktiven Kollegin Melanie (Laura Preiss), während Katrin in den Armen eines forschen Weltenbummlers (Michael Steinocher) landet.
Sehenswert ist die Tragikomödie wie schon der Vorgänger vor allem wegen der Schauspieler, zumal Krebitz diesmal auf die Kommentare verzichten konnte. Teil drei heißt "Eltern mit Hindernissen" (23.10 Uhr). Diesmal geht es um ein typisches Corona-Phänomen: Obwohl Väter und Mütter theoretisch gleichermaßen von den Ausgangsbeschränkungen betroffen sind, steht für die meisten Männer weiterhin die Arbeit an erster Stelle. Zurückstecken müssen vor allem die Frauen, die im Home-Office auch "Home-Schooling" betreiben; vom Haushalt ganz zu schweigen.
Die Pandemie war allerdings noch weit weg, als der Film entstanden ist: Eigentlich hatte Schulrektorin Schulze-Stadler (Sophie Rois) die hochschwangere Katrin zu ihrer Nachfolgerin erkoren; Philipp sollte die Elternzeit übernehmen. Weil die kleine Isalie jedoch ein ausgesprochen nachtaktives Baby ist, findet die Mutter kaum noch Schlaf und ist entsprechend erschöpft. Die Rektorin überredet Philipp daher, sich seinerseits um den Rektorenposten zu bewerben; zwar ausdrücklich nur vorübergehend, doch die empörte Katrin fühlt sich trotzdem vom Gatten hintergangen.
Wie alle guten Komödien ließe sich diese Geschichte problemlos auch als Drama erzählen. Krapoth hat sie jedoch konsequent als Komödie verpackt und den ernsten Kern dennoch nicht verraten. Komischer Höhepunkt ist eine sich kontinuierlich steigernde lange Szene im letzten Akt, als es im Haus der Familie zugeht wie im Taubenschlag. Das Ensemble ist ohnehin erneut vorzüglich.