Als afrikanischer Missionar in Mecklenburg

Martin Rothe
Pater Emeka Nzeadibe (37) kommt aus Nigeria und ist seit 2009 der katholische Jugendpfarrer für Mecklenburg.
Als afrikanischer Missionar in Mecklenburg
Anders als in Westeuropa wachsen die Kirchen in Afrika nach wie vor stark. Und entsenden erste Missionare zurück ins zunehmend säkularisierte Europa. Zum Beispiel den Nigerianer Emeka Nzeadibe, der seit 2004 in Mecklenburg Dienst tut. Eine Begegnung.

Im Städtchen Teterow, nördlich der Mecklenburger Seenplatte, gibt es ein modernes katholisches Jugendhaus. An einem Freitag Ende Januar steht ein junger Mönch aus Afrika im dortigen Foyer und verabschiedet eine Schülergruppe. Pater Emeka Nzeadibe (37) kommt aus Nigeria und ist seit 2009 der katholische Jugendpfarrer für Mecklenburg.

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Eine Woche lang hat er mit den Jugendlichen mal ernst, mal spielerisch darüber nachgedacht, wo sie gerade stehen und wie ihr bald beginnendes Berufsleben aussehen soll. Filmabende, Auflockerungsspiele und einen Ausflug ins ehemalige Stasi-Gefängnis von Rostock inklusive.

Nachdem der Reisebus der Schüler vom Hof gerollt ist, bittet Pater Nzeadibe an den runden Tisch seines Amtszimmers. Und beginnt zu erzählen von seiner Mission in Mecklenburg. "Bei aller Bespaßung, die wir natürlich auch bieten, sollen die Jugendlichen hier geistliche Erfahrungen machen", sagt Nzeadibe. "Sie sollen spüren: Das Leben hat noch mehr als Materielles zu bieten. Als gläubiger Mensch hat man Zugang zu anderen Wirklichkeiten. In der Kirche kann ich meinen Horizont erweitern."

Von Nigeria nach Rostock

Mit seiner ruhigen intellektuellen Art wirkt der Geistliche aus Afrika wie ein Norddeutscher. Aufgewachsen in einer Lehrerfamilie im Südosten Nigerias, kam er auf eine Schule des katholischen Missionsordens der Spiritaner (CSSp). "Dort habe ich einen Spiritaner-Virus bekommen", erzählt er lächelnd. Nach der Schulzeit trat er in den Orden ein.

Gegen Ende seines Studiums in Paris hörte er, es werde ein Mitbruder gesucht für die neue kleine Spiritaner-Gemeinschaft im ostdeutschen Rostock. Als er sich meldete, wiesen ihn die Ordensoberen auf das ausländerfeindliche Pogrom hin, das 1992 in Rostock-Lichtenhagen stattgefunden hatte. Er schaute sich die Stadt selbst an und wollte dann immer noch. 2004 kam er in Rostock an.

"Black Power hilft hier nicht"

Leicht war sein Einstieg nicht: "Als erster Afrikaner, der in Mecklenburg eine katholische Gemeinde leitete, schlug mir zunächst viel Skepsis und Unsicherheit entgegen", erinnert sich Emeka Nzeadibe. "Mir war klar: Black Power hilft hier nicht. Ich habe versucht, die Ruhe zu bewahren und meine Arbeit für sich selber sprechen zu lassen."

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Geholfen habe ihm dabei, sich seines Selbstbildes zu entäußern, um sich auf Anderes einzulassen. "Die Art und Weise des Auftretens ist das Entscheidende. Ich will den Leuten zuerst von Mensch zu Mensch begegnen. Da bedarf es der Demut: nicht sofort zeigen, was man selbst alles kann, sondern sich Zeit nehmen, um Kontakt aufzubauen."

Durch Nzeadibes Herzlichkeit war das Eis schnell gebrochen. Und die katholischen Migranten in Rostock hatten plötzlich eine Identifikationsfigur. "Ich bin dann in die Offensive gegangen – in Schulen, kirchliche und nichtkirchliche Gesprächsforen, in Talkshows. Inzwischen bin ich in Mecklenburg bekannt wie ein bunter Hund", sagt der Pater.

Die Kirche lädt zum Rockkonzert

Emeka Nzeadibe versteht sich als einen "Missionar im guten Sinne". Für ihn und seine Mitbrüder im Spiritanerorden bedeute das: Für andere da sein, den Schwachen zum Sprachrohr werden. Und dorthin gehen, wohin kein anderer geht, wo es am meisten not tut. Zur missionarischen Verkündigung gehört für sie neben dem Wort auch die Tat und die eigene Präsenz: "Die Missionare früher hatten Geld und Macht und konnten zusammen mit den Kolonialherren einiges durchsetzen. Hier habe ich das nicht", sagt Nzeadibe. "Ich habe allein meine Persönlichkeit, meine Ausstrahlung. Ich versuche für etwas zu stehen und etwas zu bezeugen."

Manche versuchten den Glauben in einer Nische überleben zu lassen. Aus seiner Sicht aber sei es besser, "nach außen zu gehen – oder zumindest Räume zu öffnen, damit die Leute kommen und sehen". Er und seine Leute versuchen das in Teterow jedes Jahr beim "TeteRock-Festival". Dann strömen hunderte Mecklenburger auf das Gelände des bischöflichen Jugendhauses, um die Bands zu hören. Und spitzen dann manchmal die Ohren, wenn am Abend zur Meditation in die freistehende Kapelle geladen wird. Eine junge Frau habe sich vor kurzem taufen lassen.

Energieaustausch innerhalb der Weltkirche

Mission heißt für Emeka Nzeadibe: Begegnung wagen. Das gelte auch im universalen Maßstab: "Wenn wir uns wirklich als Weltkirche verstehen, dann sind alle aufeinander angewiesen. Wir brauchen keine Einbahnstraße Nord-Süd, sondern einen gegenseitigen Energieaustausch."

Deutsche Spendenaktionen seien gut und wichtig. Aber die Christen hierzulande sollten sich nicht nur als Gebende verstehen, sondern auch als Empfangende. Nötig seien zum Beispiel ökumenische Mitarbeiter aus anderen Kulturen: "Sie werden zwar die Probleme der deutschen Kirchen nicht lösen, aber sie können neue Perspektiven eröffnen."

Ein Heilmittel gegen Landeskirchen-Provinzialität

Solche internationalen Mitarbeiter gibt es in einigen evangelischen Landeskirchen Deutschlands seit vielen Jahren. So arbeitete eine Pfarrerin aus Ghana sieben Jahre lang im missionarischen Departement der pfälzischen Landeskirche mit. Als sie vor wenigen Monaten in ihre Heimat zurückkehrte, wurde sie von einem Theologen aus Indonesien abgelöst.

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Ökumenische Mitarbeiter, die – wie diese beiden – ihren Glauben lebensfroh in deutschen Gemeinden vorleben, sind eine Bereicherung für die hiesigen Regionalkirchen. Allerdings sind ihre Stellen angesichts schrumpfender Kirchenbudgets besonders bedroht.

Ein nigerianischer Blick auf eine sehr deutsche Diskussion

Bei den deutschen Katholiken ist die "Umkehrmission" von Süd nach Nord schon länger Realität: Angesichts des Mangels an einheimischen Ordensleuten und Priestern arbeiten in immer mehr Gemeinden oder Einrichtungen Geistliche aus Lateinamerika oder Indien, von den Philippinen oder aus Polen. Gerade auch in Diaspora-Situationen wie in Mecklenburg.

Sie alle sind Menschen mit interessanten Blickwinkeln auf die oft sehr deutschen Kirchenreform-Debatten: Nach seiner eigenen Diagnose gefragt, denkt Pater Emeka Nzeadibe einen Moment nach. Dann meint er: "Die Kirchen in Deutschland reden ständig über Strukturen und Finanzfragen, aber sehr viel weniger über ihre Hoffnung und ihr Gottvertrauen. Meist geht es um das Machbare. Aber wo hat da Gott seinen Platz?"

Dieser Text wurde in längerer Version erstveröffentlicht im evangelischen Magazin "Zeitzeichen", Ausgabe 05/2012.