TV-Tipp: "Die Kanzlei: Reif für die Insel"

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25. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Die Kanzlei: Reif für die Insel"

Auftakt und Musik lassen einen Sonntagsfilm im ZDF erwarten, und tatsächlich geht es in "Reif für die Insel" auch um zwei Romanzen und ein Familiendrama; aber gleichzeitig erinnert die Handlung mehr und mehr an die Geschichten der Donnerstagskrimis "Nord bei Nordwest". Der Tonfall ist zwar ein völlig anderer, doch in der Verpackung verbirgt sich eine Menge Thrillerpotenzial.

Das kann die Hamburger Anwältin Isabel von Brede (Sabine Postel) zunächst allerdings nicht ahnen: Sie ist auf die Nordseeinsel Lasund gekommen, weil ihre Mutter offenbar völlig dem Alkohol verfallen ist. Der Hilferuf kam von einem Freund der Familie, die früher stets ihre Ferien auf der Insel verbracht hat.

Harald Bruns (Peter Franke), von Isabel bloß Onkel Harry genannt, weil sie ihn seit ihrer Kindheit kennt, hat derweil ganz andere Probleme: Er muss sein Hotel räumen, das Haus soll einem Flugplatz weichen. Harry ist am Boden zerstört, das Hotel ist sein Leben, und selbstredend nimmt sich die Anwältin der Sache an. Eine Einstweilige Verfügung verhindert zwar die Zwangsräumung, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Das klingt erst mal nicht sonderlich aufregend, zumal die Zutaten zu Torsten Näters Drehbuch den üblichen Versatzstücken solcher Geschichten entsprechen: Wenn in den Freitagsfilmen im "Ersten" ein Bauprojekt mitten in der Natur entstehen soll, stecken meist irgendwelche Schurken dahinter, und in der Regel hat der Bürgermeister seine Finger im Spiel; das ist hier nicht anders.

Ins Bild passen auch die beiden Liebeleien, die Näter geschickt mit dem Handlungskern verknüpft: Isabels Kanzleikollege Gellert (Herbert Knaup) verguckt sich in eine Frau, die von ihrem Mann unterdrückt wird, und da sich die Autor:innen in diesen Filmen gern des Zufalls bedienen, um Menschen zusammenzuführen, handelt es sich bei Tonja Henningsen (Julia Bremermann) ausgerechnet um die Gattin des korrupten Bürgermeisters (Samuel Weiss).

Isabel wiederum begegnet einem Mann, mit dem sie einst, als beide noch klein waren, oft gespielt hat. Heute ist Nils (Peter Kremer) Herausgeber und einziger Redakteur der Inselzeitung. Gellert findet raus, dass der geplante Flugplatz keineswegs dem Tourismus dienen soll, wie Henningsen seinen Mitbürgern weismacht, sondern vielmehr Voraussetzung für die Ansiedlung eines wissenschaftlichen Forschungszentrums ist, aber Nils versichert, dass der Betrug viel komplexer ist. Tatsächlich stoßen die mittlerweile ebenfalls auf der Insel eingetroffenen Kanzleihilfskräfte Yasmin und Gudrun (Sophie Dal, Katrin Pollit) auf ein Verbrechen, das direkt aus "Nord bei Nordwest" stammen könnte; dort bricht auch regelmäßig die organisierte Kriminalität in die norddeutsche Idylle ein.

"Reif für die Insel" ist ein Ableger der erfolgreichen ARD-Dienstagsserie "Die Kanzlei", die 2015 nach dem Tod von Dieter Pfaff aus der Serie "Der Dicke" hervorgegangen ist; Sophie Dal und Katrin Pollitt waren schon 2005 dabei, Sabine Postel ist 2009 ab der dritten Staffel dazu gekommen, Herbert Knaup erst zum Neustart. Näter, der als Regisseur maßgeblich auch die ARD-Reihe "Der Bozen-Krimi" prägt, hat bislang sämtliche Drehbücher für die Serienepisoden geschrieben.

Regie beim Neunzigminüter führte Bettina Schoeller Bouju, die ihr Fernsehfilmdebüt im Rahmen der Freitagsreihe "Die drei von der Müllabfuhr" gegeben und zuvor diverse Folgen für die Vorabendserie "Großstadtrevier", aber auch für "Die Kanzlei" gedreht hat. Ihr Film bietet das übliche Augenfutter mit vielen schönen Inselaufnahmen (gedreht wurde auf Fehmarn), aber immerhin verrät die Bildgestaltung (Kamera: Michael Tötter), dass die Regisseurin zumindest zwischendurch auch mal andere optische Akzente setzen wollte.

Bislang hat die ARD mit ihren 90 Minuten langen Würdigungen von Serien, zuletzt "Großstadtrevier" oder "Hubert und Staller", recht gute Erfahrungen gemacht. Auch der "Kanzlei"-Spielfilm wirkt trotz des überschaubaren Tempos nicht wie eine aufgeblasene Serienfolge. Das liegt vor allem am Drehbuch: Dank eines uralten und gegen Ende endlich aufgedeckten Familiengeheimnisses erzählt der Film nebenbei noch ein Mutter/Tochter-Drama, verbunden mit der Botschaft, dass es nie zu spät ist, um Konflikte mit den Eltern zu klären.

Das Ensemble ist ohnehin sehenswert. Peter Franke kennt die Mitwirkenden recht gut: Vor 15 Jahren war er schon mal in einer durchgehenden Rolle dabei, damals allerdings als Besitzer eines Cafés neben der Kanzlei. Marie Anne Fliegel hat bereits von 2007 bis 2015 Isabels Mutter gespielt.