"Bodyguard"-Erzählungen bilden ohnehin nicht erst seit der gleichnamigen Hollywood-Produktion mit Kevin Costner und Whitney Houston (1992) eine eigene Abteilung im Thriller-Genre. Anders als dort verzichtet das Drehbuch (Michael Ehnert, Oke Stielow) zu "Der Beschützer" jedoch auf jede Form von Romantik. Trotzdem entwickelt sich eine Beziehung zwischen dem BKA-Mann und seiner Schutzbefohlenen, und darin liegt neben der Frage, ob beide am Ende unbeschadet ihr Ziel erreichen, der eigentliche Reiz der Geschichte: Als Kind hat Jan Schäfer seiner kleinen Schwester versprochen, immer auf sie aufzupassen. Das ist ihm nicht gelungen, wie aus dem SMS-Austausch mit einem Kollegen hervorgeht: Die junge Frau ist zum Junkie geworden; er weiß nicht, ob sie überhaupt noch lebt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Beiläufigkeit, mit diese Nebenebene eingeflochten wird, passt ausgezeichnet zum Spiel des Hauptdarstellers. Tobias Oertel neigt ohnehin selten zu großen Gesten. Als BKA-Beamter agiert er womöglich noch reduzierter als sonst: Schäfer erledigt seinen Job hochprofessionell, Gefühle spielen dabei keine Rolle; der Stoiker ist ausgesprochen wortkarg. Damit das umso deutlicher wird, haben die Autoren dem Einzelgänger einen jüngeren Partner gegeben, der ungleich herzlicher und außerdem gerade Vater geworden ist.
Der Kontrast fällt allerdings wesentlich moderater aus als bei den meisten anderen vergleichbaren Krimi- oder Thriller-Konstellationen: Der Kollege ist weder Quasselstrippe noch Komiker. Slavko Popadic hat den ausgezeichneten Eindruck, den er als Titeldarsteller der "Nord bei Nordwest"-Episode "Conny & Maik" (2021) hinterlassen hat, zuletzt als skrupelloser Rauschgifthändler in Lars Beckers Krimidrama ("Alles auf Rot" (2021) bestätigt; hier bildet er eine reizvolle Ergänzung zum stets von einer gewissen Melancholie umflorten Oertel.
Dritte im Bunde ist Marlene Tanczik. Sie spielt die interessanteste Figur des Films: Fiona Weibel hat eine erstaunliche Karriere gemacht und ist Geschäftsführerin einer großen Schweizer Reederei, aber nun haben die ägyptischen Behörden ein Schiff des Unternehmens beschlagnahmt. Zunächst hat die junge Frau jedoch ein ganz anderes Problem: Ein Killerkommando hat ihren Chef ermordet; sie ist nur mit Glück davongekommen. Der Anschlag hängt offenbar mit dem Vorwurf der Ägypter zusammen, das Unternehmen habe gegen das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen verstoßen. Tatsächlich ließe sich mit dem geladenen Düngemittel auch Giftgas herstellen. Um Ägypten verlassen zu können, erklärt sich die junge Frau bereit, vor dem Internationalen Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg auszusagen. Da sie die gesamte Lieferkette auffliegen lassen könnte, wollen finstere Mächte verhindern, dass sie dort lebend ankommt.
Der Hintergrund ist komplex, weshalb es nach dem Action-Auftakt erst mal einigen Erklärungsbedarf gibt. Im weiteren Verlauf hat das Autorenduo die Informationen jedoch gut in die Handlung integriert. Wichtigste Figur für diese Ebene ist eine junge ISGH-Mitarbeiterin (Sabrina Amali), die dank ihrer syrischen Wurzeln einen besonderen Bezug zum Thema hat. Der Rest ist Thriller pur: Weil es ein Leck im BKA gibt, ist die Gegenseite über jeden Schritt der Personenschützer informiert. Eine Landstraßenszene verdeutlicht den erheblichen Anteil der Musik am durchgängig hohen Spannungsgrad des Films: Die Beamten stellen fest, dass ihnen ein Auto folgt, aber die Bilder sind harmlos; einzig Maurus Ronners elektronische Rhythmen sorgen für enormen Nervenkitzel.
Dank der personellen Konstellation lässt die Spannung auch dann nicht nach, als das Trio das vorgesehene "Safe House" erreicht: Die bis dahin betont kühl auftretende Fiona will Schäfer aus der Reserve locken, doch der lässt sie zunächst abblitzen; dabei kann er in diesem Moment noch gar nicht ahnen, dass die junge Frau einen Plan B verfolgt, der sie beide in größte Gefahr bringen wird.
Die Schießereien und Prügeleien sind auf ordentlichem Action-Niveau inszeniert, aber letztlich lebt "Der Beschützer" von der Entwicklung der beiden Hauptfiguren: Fiona muss lernen, Schäfer zu vertrauen, um zu überleben; und um dieses Vertrauen zu gewinnen, muss sich der BKA-Mann öffnen. Marlene Tanczik war dank ihrer Spielfreude bereits der heimliche Star der Vox-Serie "Milk & Honey" (2018); schon damals war klar, dass ihre erste Hauptrolle nur eine Frage der Zeit sein würde.
Allzu klischeehaft ist allein die Figur der Gegenspielerin: Reedertochter Claire (Anne Müller) ist nicht zuletzt aufgrund ihrer weißblonden Frisur umgehend als Schurkin identifizierbar. Regie führte Philipp Osthus, der sich durch seine ausnahmslos sehenswerten Inszenierungen für die ARD-Freitagsreihe "Käthe und ich" (2019/29) hervorgetan hat; seine letzte Arbeit war ein vorzüglicher Krimi aus der Klassikerreihe "Wilsberg", "Gene lügen nicht" (2022).