Connie (Andrea Sawatzki) ist Chefsekretärin einer Firma, die mit einem amerikanischen Unternehmen fusioniert. Im Grunde kein Problem, Connie hat bereits einen Kurs gebucht, aber der wird abgesagt, und nun weil ihr nur noch zwei Wochen Zeit bleiben, bucht sie kurzerhand einen Sprachkurs in Irland. Das Angebot entpuppt sich allerdings als Nebenbeschäftigung einer fröhlichen Bestatterin. Außerdem ist der einzige weitere Teilnehmer ein Tom-Jones-Imitator, der ihr mit seinem offenen Hemd und seinen Sprüchen schon am Flughafen auf die Nerven geht.
Zu allem Überfluss meint es nicht jeder Ire so gut mit Connie wie Gastgeberin Gillian (Claire O’Donovan), deren verstorbener Mann aus Kiel stammte: Während eines Ausflugs in die Stadt, bei dem ohnehin so gut wie alles schiefgeht, wird ihr auch noch das Portemonnaie samt Ausweis geklaut. Kein Wunder, dass sie so schnell wie möglich wieder heim will, zumal Tochter Anja (Sarah Hannemann) kurz vor der Niederkunft steht. Aber dann entwickeln sich die Dinge völlig anders als gedacht, und das nicht nur, weil Anja ihr Baby auch ohne Hilfe ihrer etwas übergriffigen Mutter auf die Welt bringt. Als Ehemann Dirk (Thorsten Merten) überraschend auftaucht, erkennt er seine Frau kaum wieder. Dabei hat sie bloß endlich all’ jenen Sehnsüchten freien Lauf gelassen, die vermutlich schon lange in ihr schlummern, und selbstredend hat ausgerechnet Tom-Jones-Verschnitt Max (Götz Schubert) maßgeblichen Anteil an diesem Befreiungsakt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Melanie Bukowski und Bianca Ritz hatten die Idee zu der Geschichte, Beatrice Meier hat daraus ein Drehbuch gemacht. Auch bei ihren früheren und ausnahmslos sehenswerten Filmen hat es die Autorin verstanden, ernsten Themen eine leichte Verpackung zu geben: "Geliebte Loire" (2017) aus der ZDF-Reihe "Fluss des Lebens" zum Beispiel war ein Road-Movie über eine alte Frau, die sich mit Hilfe einer jungen Altenpflegerin auf die Suche nach ihrer französischen Jugendliebe macht, und in der wie "Sprachlos in Irland" im Auftrag der ARD-Tochter Degeto entstandenen Tragikomödie "Alleine war gestern" (2015) meistern die Mitglieder einer jung gebliebenen Senioren-WG die Herausforderungen des Alters. Darum geht es im weitesten Sinn auch in Meiers jüngstem Drehbuch: Connie, ohnehin ein Mensch, der alles gern unter Kontrolle hat, ist in einem Alter, in dem neue Herausforderungen vor allem Risiken darstellen; ganz gleich, ob es sich um emotionale oder um berufliche Veränderungen geht.
Max ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er neigt zu spontanen Entscheidungen und nimmt dabei die Möglichkeit, komplett falsch zu liegen, gern in kauf. Sein Rat, einfach mal den geraden Weg zu verlassen und querfeldein zu wandern, erscheint Connie zunächst völlig absurd, zumal jemand wie Max ihr nicht gerade als geeignetes Vorbild erscheint: Der Lebenskünstler hat keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter, seit seine irische Frau ihn vor elf Jahren verlassen hat. Er schiebt das auf seine Ex (Dagmar Döring), aber in Wirklichkeit war ihm das ganz recht, weil er sich so auf seine musikalische Karriere konzentrieren konnte. Nun möchte er die verlorene Zeit nachholen, und um sich mit seiner Tochter unterhalten zu können, will er sein Englisch mit Gillians Hilfe auffrischen. Dabei beherrscht Amy (Ella Lee) ihre Vatersprache sogar ziemlich gut; und das bleibt nicht die einzige Überraschung für Max, dessen Unzuverlässigkeit schließlich doch wieder alle Hoffnungen zunichte zu machen scheint.
Florian Gärtner hat dafür gesorgt, dass Andrea Sawatzki und Götz Schubert viele amüsante Szenen haben; so wird aus dem Dramenstoff eine Komödie. So ähnlich funktionierten auch die früheren Filme des Regisseurs. Eins seiner besten Werke, die vermeintlich heitere Rentnerkomödie "Schwarzbrot in Thailand" (2017, auch für die Degeto), wandelte sich auf diese Weise unversehens zum Ehedrama. Deutlich anspruchsvoller, als der Titel vermuten ließ, war auch seine Sat.1-Komödie "Unsere Jungs – Auch Strippen will gelernt sein" (2018). "Sprachlos in Irland" erfreut nicht zuletzt durch die Balance aus witzigen Momenten wie jenem, als Connie nach dem Verlust ihres Portemonnaies vom Pfarrer mit der Hand im Opferstock erwischt wird, und klugen Dialogen. "Man lebt nur einmal", sagt Connie gegen Ende zu ihrer Gastgeberin, die längst zur Freundin geworden ist. Irrtum, erwidert die Bestatterin: "Man stirbt nur einmal, aber man lebt jeden Tag."
Ähnlich vortrefflich wie die Besetzung der beiden deutschen Hauptfiguren ist die Auswahl des einheimischen Ensembles. Das gilt nicht nur für die Irinnen, die Deutsch mit starkem Akzent sprechen, sondern auch für Gillians guten Freund Shane, der hoffnungslos in die Witwe verliebt ist; seine Dialoge sind mit Untertiteln versehen. Dass Gärtner der irischen Westküste einige Seitenblicke gönnt (der Film ist in und um Kilkee entstanden) und zudem mit Irish Folk erfreut, versteht sich fast von selbst.