Die Geschichte schien schon mit dem ersten Film auserzählt: Frau aus der Stadt kauft Bauernhof und macht eine Pension daraus, muss sich aber mit einem alten Grantler rumplagen, der Wohnrecht auf Lebenszeit hat. Tatsächlich konnten die verschiedenen Autorinnen und Autoren dieser überschaubaren Konstellation bereits sechs heitere Komödien abtrotzen. Der alte Barthl (Friedrich von Thun) und die neue Hofbesitzerin Sophie (Aglaia Szyszkowitz) haben zwar eine Art Hassliebe entwickelt, aber für Turbulenzen sorgten vor allem die Pensionsgäste und die Dorfpolitik, denn Sophie ist mittlerweile auch Bürgermeisterin.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Bislang war Witwer Barthl meist eine Art unfreiwilliger Zaungast ihres Lebens, nun rückt er endlich wieder ins Zentrum der Handlung, als er Post aus der Vergangenheit bekommt: Vor über zwanzig Jahren hat seine Tochter im Streit den Hof verlassen. Seither hatten die beiden keinen Kontakt mehr; er konnte sie mangels Adresse nicht mal über den Tod der Mutter informieren. Endlich erreicht ihn ein Lebenszeichen von Johanna: Sie ist in der Gegend, er soll sich melden. Das war allerdings bereits vor elf Monaten; die Karte ist im Postamt hinter ein Regal gefallen. Kurz entschlossen sorgt Sophie dafür, dass sich Vater und Tochter (Brigitte Hobmeier) trotzdem treffen, und selbstredend kommen nach einem ersten Austausch über die Ereignisse der letzten beiden Jahrzehnte – Johanna war erst Mitglied einer Glaubensgemeinschaft und hat es sich anschließend zur Aufgabe gemacht, die Welt zu retten – auch alte Rechnungen auf den Tisch.
Die für den Sendeplatz zuständige ARD-Tochter Degeto ist bei Titel selten auf Originalität bedacht, weshalb die Tragikomödie auch „Plötzlich Opa“ heißen könnte. „Schwein gehabt“ ist zwar auch nicht besser, aber immerhin ebenfalls zutreffend: Sophies Tochter Leonie (Carolin Garnier) hat eine Sau vor dem Schlachter gerettet. Auf dem Hof kreucht und fleucht schon allerlei Getier, eigentlich könnte sich das Schwein hier wohlfühlen, aber richtig glücklich wirkt es nicht, und nun kommen Hans und Margarethe Bosch ins Spiel: Die alten Herrschaften sind eigens aus Hamburg angereist, um sich im beschaulichen Oberbayern das Leben zu nehmen. Sophie findet das raus, weil sie den Entwurf eines Abschiedsbriefs entdeckt. Fortan tun sie und Leonie alles, um den Boschs zu vermitteln, wie schön es ist, auf der Welt zu sein ist, und damit die beiden eine Aufgabe haben, sollen sie sich um das Schwein kümmern.
Beide Erzählstränge mögen nicht sonderlich weltbewegend klingen, aber die Namen der Mitwirkenden stehen für einen gewissen Anspruch. Dass ein vielfach ausgezeichneter Bühnenstar wie Brigitte Hobmeier in einem Freitagsfilm mitwirkt, ist ungewöhnlich genug, aber die Besetzung des Ehepaars mit Hark Bohm und Christine Ostermayer ist außergewöhnlich. Die Szenen mit den kinderlosen Boschs behandeln zudem ein Thema, das für einen Film dieser Art nicht selbstverständlich ist: Bevor sie fremden Menschen zur Last fallen, wollen sie lieber in Würde aus dem Leben scheiden. Wie es Drehbuchautor Philipp Weinges gelungen ist, dieser Handlungsebene dennoch witzige Seiten abzugewinnen, ist beeindruckend; und natürlich hat das Schwein einen nicht unerheblichen Anteil an den entsprechenden Heiterkeiten. Sehr amüsant ist auch ein Nebenstrang, in dem Barthls Freund Ferdinand (Philipp Sonntag) mit einigen Dorfbewohnern „Romeo und Julia“ probt. Die weibliche Titelrolle spielt Sophies Freundin Rosalie (Bettina Mittendorfer), die den Shakespeare-Klassiker gern umgeschrieben hätte, und das nicht nur wegen des verstaubten Frauenbilds: Der Romeo-Darsteller ist ihr Ex-Freund, Küssen kommt daher nicht in frage.
Die Beziehung zwischen Vater und Tochter steht filmisch natürlich unter ganz anderen Vorzeichen, ist aber nicht minder sehenswert und ähnlich gut gespielt, zumal Barthl und Johanna aus dem gleichen sturen Holz geschnitzt sind. Umso besser versteht sich der Alte mit seinem fast erwachsenen Enkel: Amir (Jawad Karim Rajpoot) hat berufliche Pläne, die seiner Mutter gar nicht passen. Für Regisseurin Michaela Kezele („Die Brücke am Ibar“) ist „Schwein gehabt“ bereits die zweite Arbeit für die Reihe; die Episode „Die Waschbären sind los“ (2020, ebenfalls nach einer Vorlage von Weinges) war ihr TV-Debüt. Die Dialoge sind ein großes Vergnügen, die Leistungen des Ensembles ausnahmslos vorzüglich, Kameramann Peter von Haller hat bei den Innenaufnahmen für ein betörend schönes Licht gesorgt, und die regional geprägte Musik untermalt perfekt die wechselnden Stimmungen des Films.