Der Arbeitstitel „Ein Sommernachtstraum“ passt in der Tat viel besser zu der Geschichte: Ein großer Teil der Handlung trägt sich zur Sonnenwendfeier zu und somit in einer Nacht, in der Träume angeblich wahr werden. Zunächst beginnt der Film jedoch mit einem Alptraum: Weil die Gemeinde ihre Müllgebühren nicht bezahlt hat, lässt der Müllverwerter (Eisi Gulp in einer Gastrolle) kurzerhand auch die Säcke und Tonnen der Privathaushalte stehen; schuld ist angeblich die in der letzten Episode zur Bürgermeisterin gewählte Pensionswirtin Sophie (Aglaia Szyszkowitz). Die hat derweil ganz andere Probleme: Schwiegermutter Brigitte (Eleonore Weisgerber) ist eigens aus Frankreich angereist, um eine Scheidung zu verhindern.
Zu Beginn der 2018 gestarteten Reihe „Zimmer mit Stall“ hatten sich die Wege von Sophie und ihrem Mann Philippe (François Smesny) getrennt: Sie hat den oberbayerischen Fuchsbichlerhof gekauft, er in Paris das Restaurant seiner Eltern übernommen; Tochter Leonie (Carolin Garnier) ist bei Sophie geblieben. Weil Brigitte ganz erhebliche Vorbehalte gegen Philippes neue Lebensgefährtin hat – Djamila stammt aus Algerien –, will sie Sophie zur Rückkehr in den ehelichen Hafen überreden. Das Paar hatte damals davon geträumt, dereinst nicht nur das Restaurant, sondern auch das Hotel im selben Haus zu betreiben; dieser Plan ließe sich nun realisieren. Philippe ist mittlerweile Sternekoch, Leonie könnte bei ihm ihre Ausbildung absolvieren. Sophie lässt sich die Idee tatsächlich durch den Kopf gehen; aber just jetzt ist ein alter Bekannter (Hans-Jochen Wagner) aus Schulzeiten buchstäblich in ihr Leben geplumpst.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das Drehbuch (Holger Gotha, Philipp Weinges) macht aus der eigentlich einfachen und entsprechend überschaubaren Handlung einen überraschend komplexen Film, der nur vordergründig eine Komödie ist, selbst wenn Brigitte in Sophies ungeliebtem Nachbarn Barthel (Friedrich von Thun) einen willigen Kompagnon für ihre Intrige findet; der alte Fuchsbichler wäre die frühere Flugbegleiterin lieber heute als morgen los. Der Anspruch ergibt sich aus einer existenziellen Frage, mit der die Autoren und Regisseur Sebastian Stern ihre Figuren konfrontieren: Wohin soll der weitere Lebensweg führen? Der verwitwete Schulfreund Felix, den Sophie zunächst für mittellos hält, weil er damals in den Tag hinein gelebt hat, entpuppt sich als vermögender Privatier, der eine neue Aufgabe gefunden hat und in Tansania Brunnen bohren lässt. Nach dem Tod seiner Frau hat er seinen Enthusiasmus verloren, aber mit Sophie an seiner Seite kann er sich die Rückkehr nach Afrika vorstellen. Leonie wiederum muss sich zwischen ihrem Freund Max (Emanuel Fitz) und Paris entscheiden. Auch Philippe wäre nicht abgeneigt, den einstigen gemeinsamen Traum mit Sophie anzugehen. Als dann auch noch Djamila (Daniela Golpashin) auftaucht und die Beteiligten den Fuchsbichlerhof aufgrund einer behördlichen Verordnung nicht verlassen dürfen, weil der von Sophie eigenhändig eingesammelte Müll angeblich kontaminiert ist, haben sie die Nacht der Sonnenwende Zeit, um sich über ihre Zukunft klar zu werden.
Stern hat zuvor zwei Langfilme über liebenswerte Verlierer gedreht. Für sein Abschlusswerk an der Filmhochschule, „Die Hummel“, ist er 2010 mit dem Bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsregisseur ausgezeichnet worden; 2016 folgte die Kinokomödie „Der Hund begraben“. Sein erster Fernsehfilm ist zwar dem Tempo und Stil der Reihe entsprechend eher gemächlich inszeniert, sorgt aber immerhin inhaltlich für allerlei Trubel. Gerade die Dialoge machen großen Spaß. Die besten Zeilen hat Eleonore Weisgerber, die ihre Rolle kein bisschen klamottig verkörpert, sondern mit derart viel Eleganz versieht, dass der alte Fuchsbichler prompt hin und weg ist; seine Verliebtheit beschert dem Film ebenfalls einige sehr amüsante Szenen. Ein bisschen Krimi ist die Geschichte auch: Sophie kommt einem vom Vorgänger angezettelten Komplott auf die Spur, das ihren Ruf als Bürgermeisterin ruinieren soll. Natürlich ist das alles bloß harmloser Zeitvertreib, selbst wenn Weltverbesserer Felix mit seinen Vorträgen über den Wohlstandsmüll dem mit vielen Chansons unterlegten Film einen ökologischen Anstrich gibt; aber es ist ein Vergnügen, dem Ensemble zuzuschauen.