Orientalische Geigenklänge sind aus dem Büro von Hanna Nouri Josua in Oberweissach (Rems-Murr-Kreis) zu hören. Der aus dem Libanon stammende Pfarrer ist ein vielseitiger Mensch: In der arabisch-evangelischen Gemeinde in Stuttgart, die er gegründet hat und leitet, predigt er nicht nur, sondern spielt auch Geige und arabische Laute, verfasst eigene Liedtexte. Nun geht er nach mehr als drei Jahrzehnten Arbeit mit Menschen aus der arabischen Welt in Ruhestand.
Bereits kurz vor der Wende, im Frühjahr 1989, wurde der Verein Evangelische Ausländerseelsorge gegründet, in dem Josua angestellt wurde. Die Vereinsgründung war eine Notlösung, weil der fertig ausgebildete Diakon sowie Politik- und Islamwissenschaftler in der Kirche keine Arbeitsstelle fand.
Der Grund: Vier Jahre zuvor hatte Josua sein Augenlicht verloren. Er musste damals die bittere Erfahrung machen, dass „man mit einem blinden Diakon wie mir nichts anfangen konnte“, wie er erzählt. Durch einen Zuschuss des Arbeitsamtes für die Integration Schwerbehinderter am Arbeitsplatz und durch Spenden konnte Josua mit seinem Verein dennoch arabischsprechenden Menschen bei der Ankunft in Deutschland helfen.
Trotz theologischer Unterschiede fruchtbaren Dialog
Drei weitere Gemeinden in Singen, Karlsruhe und Heilbronn folgten. Dabei war von Anfang an sein Ziel, dass die arabische Gemeinde eine erste Anlaufstelle für Neuzuwanderer ist, diese aber langfristig in die Kirchengemeinden vor Ort integriert werden, betont der Vater von fünf erwachsenen Kindern. Ihm war es auch immer wichtig, seine Gemeinde als ein Ort zu verstehen, indem sich deutsche und arabische Christen begegnen können, Vertrauen entsteht und Vorurteile abgebaut werden können.
In seiner Promotion über Abraham im Koran beschäftigte sich der Theologe und Islamwissenschaftler intensiv mit dem Konzept der „Abrahamischen Ökumene“, wonach Abraham der Stammvater aller drei monotheistischen Religionen ist. Doch der Ibrahim im Koran sei als Person nicht mit dem biblischen Abraham zu vergleichen, so Josuas Fazit. Deshalb spricht er sich dafür aus, nicht krampfhaft an vermeintlichen Gemeinsamkeiten der Religionen festzuhalten. Trotz theologischer Unterschiede könne es zu einem fruchtbaren Dialog kommen.
Während der Corona-Zeit begann Hanna Josua gemeinsam mit seiner Frau Heidi aus ihrem Wohnzimmer heraus eine regelmäßige Sendung mit dem Titel „Infos zum Leben“, auf Facebook zu streamen, die große Resonanz erhielt. Darin erklärten sie Hygienemaßnahmen und Maßnahmen zum Lockdown. Denn das Ehepaar hatte gemerkt, dass viele ihrer Gemeindemitglieder wegen der Sprachbarriere kaum Zugang zu seriösen deutschen Medien hatten. Und auf Arabisch kursierten die wildesten, teilweise auch antisemitischen Verschwörungstheorien, zum Thema Corona.
Am 17. Oktober wird Hanna Josua mit einem Gottesdienst in der Stiftskirche unter anderem auch mit Beteiligung der Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold in den Ruhestand verabschiedet. Neue Geschäftsführerin wird seine Frau Heidi Josua, Orientalistin, Prädikantin und Religionspädagogin. Dass eine Frau an der Spitze der Gemeinde steht, predigt und Gottesdienste leitet, habe eine Signalwirkung, da in christlichen Gemeinden der arabischen Welt Frauen bisher kaum leitende Funktionen wahrnehmen, so Hanna Josua.
Bereits seit vielen Jahren ist Heidi Josua an der Seite ihres Mannes aktiv. Ihr liegt besonders die kulturelle Begegnung zwischen Orient und Okzident am Herzen. Das zeigen beispielsweise christlich-arabische Konzerte, jährliche Kalender mit Bildern des christlichen Erbes aus dem Orient sowie Ausstellungen mit arabisch-christlichen Kalligraphien des Künstlers Maamun Kamran.
Seit drei Jahren heißt die Arbeit der Josuas nun nicht mehr „Evangelische Ausländerseelsorge“ sondern „Evangelisches Salam-Center.“ Mit dem arabischen Wort „salam“, das auf Deutsch Friede bedeutet, wolle man betonen, dass man sich eine friedensstiftende Wirkung wünscht, die vom „Salam-Center“ ausgeht, erklärt Hanna Josua. Ein wegweisendes Motto auch für die zukünftige Arbeit des interkulturellen Ehepaars.