Hintergrund ist das Schicksal von "Kolonne links", einer deutschen Agitprop-Truppe, die sich für die Internationale Arbeiterhilfe engagierte. 1933 gingen viele ihrer Mitglieder ins Exil nach Moskau, wo sie später im Zuge der stalinistischen Säuberung unter dem Vorwand, sie seien trotzkistische Spione, verhaftet und teilweise hingerichtet wurden. Böhlichs Drehbuch setzt jedoch erst 1952 ein, als die verwitwete Antonia Berger (Alexandra Maria Lara) nach zehn Jahren in einem sibirischen Arbeitslager gemeinsam mit zwei Schicksalsgefährtinnen freigelassen wird.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Deutschland ist mittlerweile geteilt, Antonias brandenburgischer Heimatort Fürstenberg (später Eisenhüttenstadt) liegt in der DDR und Stalin wird verehrt wie ein Heiliger. Deshalb müssen die Frauen schriftlich versichern, kein Wort über ihre Zeit im Gulag zu verlieren; die Verurteilung unschuldiger Genossinnen würde nicht in die Legende passen. Antonia, nach wie vor überzeugte Kommunistin, fügt sich, obwohl ihr Mann im Lager erschossen worden ist. Sie will ihren Teil dazu beitragen, den Sozialismus aufzubauen, zumal sich der örtliche Parteifunktionär Silberstein (Stefan Kurt) freundschaftlich um sie kümmert und Klinikarzt Konrad Zeidler (Robert Stadlober) das Leben ihrer schwerkranken Tochter rettet. Zu Konrad, der aufgrund seiner politischen Überzeugung aus Hamburg in die DDR gezogen ist, entwickelt sich bald eine innige Beziehung, die abrupt endet, als sie ihm ihre Tagebuchaufzeichnungen über die Jahre in Sibirien zeigt. Konrad bricht mit dem Kommunismus und kehrt heim nach Hamburg, Antonia bleibt, "weil sonst alles sinnlos war", und wird verhaftet. Sie erzählt ihrem Vernehmer (Peter Kurth), was ihr in Sibiren widerfahren ist, aber der Mann, der als kommunistischer Häftling im Konzentrationslager Buchenwald sein Bein verloren hat, glaubt ihr nicht: weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Es ist vor allem der historische Hintergrund, der "Und der Zukunft zugewandt" zu einem besonderen Film macht. Böhlichs Umsetzung ist eher sachlich. Die Kamera verhält sich wie ein teilnehmender Beobachter, die Emotionen resultieren nicht aus der Gestaltung des Films, zumal Antonia ja gute Miene zum bösen Spiel macht. Für Böhlich, 1957 in der Oberlausitz geboren, ist dies ein durchaus ungewöhnlicher Stoff, zumindest gemessen an seinen Filme der letzten Jahre, als er vorwiegend fürs Fernsehen gedreht hat; seine bekanntesten Arbeiten dürften die nachdenklichen "Krause"-Komödien mit Horst Krause als pensionierter Brandenburger Polizeihauptmeister gleichen Namens sein.
Fürs Kino hat Böhlich zuletzt das schöne romantische Drama "Der Mond und andere Liebhaber" (2008) mit Katharina Thalbach und die Melancholische Seniorenkomödie mit großer Besetzung: "Bis zum Horizont, dann links" (2012) gedreht, beide sehenswert, aber auch sehr fernsehtauglich. Das gilt im Grunde auch für sein jüngstes Werk: Für einen Kinofilm bietet "Und der Zukunft zugewandt" nicht genug Unterschiede zu einem guten Fernsehfilm, selbst wenn gerade die Lagerszenen im strömenden Regen packend gefilmt sind (Bildgestaltung: Thomas Plenert). Außerdem sorgt ausgerechnet die Hauptfigur für Distanz: Alexandra Maria Lara ist zwar quasi automatisch Sympathieträgerin, aber Antonias Motive, einer Ideologie treu zu bleiben, die ihr zehn Jahre ihres Lebens geraubt und ihren Mann auf dem Gewissen hat, erschließen sich zu wenig. Daran ändern auch ihre entsprechenden aus dem Off verlesenen Tagebucheinträge nichts ("Jeder Tag dient einem höheren Schicksal: dem Sieg der Revolution"). Es ist daher ungleich nachvollziehbarer, dass ihre beiden Leidensgenossinnen (Barbara Schnitzler, Karoline Eichhorn) fröhlich auf Stalins Tod anstoßen. Wie Fremdkörper wirken auch die kurzen Zeitsprünge, als die Handlung ins Jahr 1989 hüpft: Antonia sieht im Fernsehen die Bilder der geöffneten Grenzübergänge, hält das absehbare Ende der DDR im Unterschied zu den meisten ihrer Mitbürger jedoch nicht für einen Grund zum Feiern; und das, obwohl sich Silbersteins Prognose "Es wird eine Zeit kommen, da werden wir über alles reden", nie bewahrheitet hat.
Vermutlich soll der Film vermitteln, dass das Ziel richtig war, der Weg dorthin allerdings nicht; deshalb darf Stefan Kurt seinen Silberstein auch sehr sympathisch verkörpern. Andererseits sagt der Mann auch "Wahrheit ist, was der Sache nützt." In diesem Satz bündelt sich die ganze Dialektik eines nur vermeintlich richtigen Lebens im falschen. Die darstellerischen Leistungen sind ohnehin fast ausnahmslos vorzüglich. Aus dem Rahmen fällt allein Jürgen Tarrach als eingewanderter Künstler aus Wien, dessen Dialekt indes wenig glaubwürdig klingt; der Rheinländer ist angesichts einer Vielzahl ganz hervorragender österreichischer Schauspieler ohnehin eine seltsame Wahl.