Kirchen in neues Licht getaucht

Michaela Deichl am Touchdisplay
© epd-bidl/Susanne Lohse
Pfarrerin Michaela Deichl wählt am Touchdisplay aus, was sie hier und jetzt in der Kirche hören möchte.
Multimedia
Kirchen in neues Licht getaucht
Immer mehr Kirchen in Deutschland bieten Besuchern Zuspruch auf "Knopfdruck": Sie können Farben, Musikstücke oder Andachten nach eigenen Bedürfnissen selbst auswählen. Ein solches Multimediasystem gibt es etwa im badischen Dilsberg.

Ich mache mir die Kirche, wie sie mir gefällt! Frei nach Pippi Langstrumpf soll ein multimediales Computersystem neue spirituelle Erlebnisse in Kirchenräumen ermöglichen. In der evangelischen Kirche in Neckargemünd-Dilsberg können Kirchenbesucher Farben, Musikstücke oder Andachten nach dem eigenen Bedürfnis selbst auswählen.

Über einen Touchscreen angewählt, erstrahlt die Kirche je nach Stimmung in Regenbogenfarben, Bernstein, grün, blau oder pink. Neben Bibelversen gibt es Impulse zu Gefühlen wie Dankbarkeit, Freude, Wut oder Trauer. Wer die Kirche eher als Museum wahrnimmt, erhält auf Wunsch via Lautsprecher (kunst-)historische Informationen.

Mit dem Projekt der medialen Kirche setzt die Evangelische Landeskirche in Baden ihre Suche nach digitaler Verkündigung fort. "In Neckargemünd-Dilsberg gibt es bereits die volle Wucht des Angebots", sagt Projektkoordinator Ulli Naefken dem Evangelischen Pressedienst. An sieben Standorten in Baden will die Landeskirche solche "MediaKi"-Säulen einrichten.

Verschiedene Standorte

Neben den bereits aktiven Standorten Dilsberg (Kirchenbezirk Neckargemünd-Eberbach) und Ketsch (Kirchenbezirk südliche Kurpfalz) sollen in den kommenden Wochen die evangelischen Kirchen in Rosenberg (Kirchenbezirk Adelsheim-Boxberg) und Auenheim (Kirchenbezirk Ortenau) hinzukommen. Erprobt werden soll "MediaKi" außerdem im Evangelischen Diakoniekrankenhaus Freiburg, im Haus der Kirche in Bad Herrenalb sowie im Freilichtmuseum Vogtsbauernhof Gutach.

Mit dem Multimediasystem"MediaKi" erstrahlt die evangelische Kirche Dilsberg in Regenbogenfarben.

"Die Herausforderungen sind an jedem Standort andere", erklärt Naefken die Schwierigkeiten bei der Installation. Die Anlage soll ins jeweilige Ambiente passen, und dies ist im Vogtsbauernhof ein anderes als etwa im Krankenhaus. Die Kosten für die Bereitstellung des Terminals und die Lizenz von rund 2500 Euro können durch Schreinerarbeiten und andere Umbauten schnell auf eine fünfstellige Summe anwachsen.

Unabhängig vom Gottesdienst

Dieses Geld sei gut angelegt. "Das Projekt ist ein Zuschauermagnet", sagt der Multimediaredakteur, der im Rahmen des Projekts "Dialog im Netz" bereits 360-Grad Rundgänge für Kirchen, Andachten im Netz und virtuelle Regenbögen mit Bibelsprüchen entwickelt hat.

Die persönlich zugeschnittene Verkündigung "MediaKi" spreche auch Menschen an, die nicht "an einen christlichen Gott glauben", hat die Dilsberger Pfarrerin Michaela Deichl festgestellt. Unabhängig von Gottesdienstzeiten, in einem sakralen Raum der eigenen, inneren Befindlichkeit nachgehen, kommt an. "Die mediale Kirche ist eine Bereicherung", sagt Deichl. "MediaKi" ersetze nicht den Gottesdienst, sondern ergänze ihn.

Gerade Spaziergänger oder Wanderer, die auf dem vorbeiführenden Neckarsteig unterwegs sind, verleitet das digitale Angebot zu einem Abstecher in das Gotteshaus. Ein Blick ins Gästebuch zeigt, dass auch Familien mit Kindern den Touchscreen nutzen, um einen Impuls oder ein Lied mit auf den Weg zu nehmen.

Familie Rupp etwa will das tolle Angebot "weiter erzählen". Basti aus dem benachbarten Wiesenbach schreibt: "…mit Zeit und guter Laune gekommen und natürlich der Toccata BWV 565 (Toccata und Fuge in d-moll, vermutlich von Johann Sebastian Bach) gelauscht. Klasse!" Die Wanderfreunde aus Mannheim vermerken positiv, dass sie die "Kirche erfreulicherweise auch außerhalb der Gottesdienstzeiten" besuchen konnten.