Wenn Prominente in der Rubrik "Was macht eigentlich…?" auftauchen, ist das in der Regel ein Zeichen für verblassten Ruhm. Im Alltag bezieht sich die Frage auf einstige Weggefährten, von denen man lange nichts mehr gehört hat. Die Vorstellung, dass dies auch für Serienfiguren gelten könnte, ist ebenso originell wie reizvoll: "Um die 30" erzählte 1995 und 1997 in sechs Folgen von sechs Babyboomern, die ihre Jugend hinter sich hatten. Mit zwanzig hatten sie noch gedacht, mit dreißig seien sie erwachsen, aber mit dreißig war Frank (Dominic Raacke) überzeugt: "Wir werden nie erwachsen, wir werden einfach nur älter." Was nach Trotz und "forever young" klingt, war schon damals eher melancholisch gemeint. Zwanzig Jahre später ist die Clique von einst immer noch miteinander befreundet. Weil fünfzig als das neue vierzig gilt, ist eine entsprechende Geburtstagsfeier der perfekte Zeitpunkt, um ein Zwischenfazit zu ziehen und die Weichen für die zweite Hälfte des Erwachsenenlebens zu stellen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Feststellung, das Beste an "Um die 50" sei die Idee, wäre zwar nicht fair, aber auch nicht ganz falsch, was jedoch in erster Linie mit dem Format zusammenhängt: Neunzig Minuten genügen einfach nicht, um den sechs zentralen Charakteren, diversen zum Teil wichtigen Nebenfiguren und vor allem den vergangenen zwanzig Jahren gerecht zu werden, weshalb das vom ZDF fälschlicherweise als Komödie angekündigte Drama über weite Strecken wie der Zusammenschnitt einer Serie anmutet. Ralf Huettner (auch Regie) und Dominic Raacke, die schon damals gemeinsam für das Drehbuch verantwortlich waren, hatten garantiert Dutzende von Einfällen, die sie nicht realisieren konnten. Dass das ZDF nicht erneut eine Miniserie aus dem Stoff gemacht hat, könnte natürlich auch eine Terminfrage sein; umso besser, dass sich das Ensemble von einst komplett zusammengefunden hat.
Wenn man "Um die 30" nicht kennt, wirkt der Film jedoch wie das Klassentreffen einer Schule, die man gar nicht besucht hat. Weil viel zu wenig Zeit ist, um den drei Männern und Frauen echte Tiefe zu verleihen, muss bei jeder Figur ein Merkmal genügen: Carlo (Jürgen Tarrach) betreibt eine offenbar nicht angemeldete Weinhandlung und scheint sein bester Kunde zu sein. Gattin Carola (Susanne Schäfer) ist Kommunalpolitikerin und hat ein Verhältnis mit einem Parteifreund (Thomas Limpinsel). Sabrina (Catherine Flemming) lebt heute mit einer Frau (Jule Böwe) zusammen und streitet sich mit ihrem Ex-Mann (Marc Hosemann) ums Umgangsrecht für den gemeinsamen Sohn. Ihre Schwester Tina (Natalia Wörner), damals ein erfolgreiches Model, bildete mit Frank ein Traumpaar, aber die beiden sind schon lange getrennt; Frank ist jetzt mit Henriette (Henny Reents) verheiratet und hat ständig Ärger mit ihrem pubertierenden Sohn, in dessen Rucksack er eine geladene Pistole findet. Olaf (Bruno Eyron) schließlich, Playboy und Porschefahrer, hat seine berufliche Existenz vor die Wand gesetzt. Eine Szene genügt, um ihn komplett zu diskreditieren: Als er seine demente Mutter dazu bringen will, ihr Einverständnis zum Verkauf ihres Hauses zu unterschreiben, bricht er ihr versehentlich den Arm.
Dennoch bleibt das Wiedersehen nicht ohne Folgen, weil der Film einen doppelten Effekt hat: Kurze Ausschnitte aus der damaligen Produktion führen gnadenlos vor Augen, wie die Zeit vergangen ist, und das gilt natürlich nicht nur für die Figuren, sondern auch für das Publikum; der "Süße Vogel Jugend", wie ein Drama von Tennessee Williams heißt, ist bloß noch eine blasse Erinnerung. Abgesehen davon ist es auch interessant, wie sich die Karrieren der Mitwirkenden seither entwickelt haben; die meisten standen Mitte der Neunziger noch am Beginn ihrer Laufbahn. Der Spiegeleffekt schmeichelt ihnen allerdings nicht, denn "um die fünfzig" sind einige der Mitwirkenden nur mit viel Wohlwollen, die meisten sind eher um die sechzig; Wörner und Flemming, beide Jahrgang 1967, sind gewissermaßen die Nesthäkchen des Sextetts. Dazu passt, dass auch die beiden mehrfach eingespielten Songs, "Get It On" (1971) von T. Rex und "Make Me Smile" (1975) von Steve Harley & Cockney Rebel, im Grunde zu "alt" für die Figuren sind. Einige Lieder, darunter neben "Make Me Smile" passenderweise auch "Life Changes" von The Vesters – im Sinne des Films sehr frei übersetzt mit: Kinder, wie die Zeit vergeht –, gehörten bereits zum Soundtrack von "Um die 30". Dass damals eine CD mit den Songs aus der Serie erschienen ist, wirkt im Zeitalter von Spotify fast schon rührend.