Als Tochter Carla ankündigt, sie werde ihren Freund heiraten, fragt sich Anna, warum ihr eigentlich keiner der diversen Männer in ihrem Leben je einen Antrag gemacht hat. Das mag als zusammengefasste Handlung zunächst etwas dünn wirken, aber das Drehbuch zu "Mich hat keiner gefragt" erweist sich als überraschend vielschichtig, weil die Autorinnen Stefani Straka und Gabriele M. Walther ihre gemeinsame Hauptfigur nicht bloß auf diese eine Frage reduziert haben. Tatsächlich hat Anna (Meike Droste), Anfang vierzig, auf den ersten Blick keinerlei Grund zur Klage, zumal ihr Liebesleben stets der Devise gefolgt ist, die besten Männer seien jene, die sich noch vor dem Frühstück wieder verabschiedeten. Außerdem hat sie einen Beruf, der sie mehr als ausfüllt: Sie stellt in ihrer eigenen Werkstatt ausgefallene Möbel aus Altmetall und Holz her. Wichtigster Mensch in ihrem Leben, neben Clara (Vita Tepel) natürlich, ist die Nachbarin und beste Freundin Daisy (Elena Uhlig), die sehnlichst darauf wartet, dass ihr Lebensgefährte Leo (Jan Messutat) ihr endlich einen Antrag macht. Der steht jedoch auf dem Standpunkt, dass Liebe keine amtliche Beglaubigung braucht. So sieht Anna das auch; wäre da nicht diese Frage, die auf einmal an ihr nagt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Es gibt mindestens eine Handvoll Argumente, die "Mich hat keiner gefragt" zu einer sehenswerten Komödie machen, aber das wichtigste ist Meike Droste, die spürbare Freude an dieser Rolle wie auch an ihren gern zwischen Ironie und Sarkasmus mäandernden Dialogen hat. Ihr Spiel verhindert zudem, dass sich die Geschichte ins konservative Muster entwickelt: Ganz gleich, wie selbstständig eine Frau ist, am Ende wird ihr Dasein doch erst durch einen Mann komplett. Anna hingegen bleibt stets Herrin der Handlung; dass sie in der Lebensmitte eine Art Zwischenbilanz zieht, ist schließlich nicht ungewöhnlich. Auszeichnungen hat die Schauspielerin bislang nur für Bühnenleistungen bekommen, dabei waren ihre Darbietungen auch in TV-Produktionen oft genug preiswürdig, etwa als Titeldarstellerin der ARD-Serie "Frau Temme sucht das Glück" (2017). In "Mich hat keiner gefragt" gelingt ihr zudem die perfekte Gratwanderung zwischen Drama und Komödie: Annas Konflikt ist keineswegs witzig, aber sie nimmt ihn erst mal ebenso wenig ernst wie die Hochzeitsvorbereitungen, bei denen sie sich gänzlich deplatziert fühlt. Eher erwartbar ist hingegen die personelle Konstellation, denn plötzlich umschwirren die Männer sie regelrecht, allen voran ein Schürzenjäger (Oliver Stokowski), der schon viermal verheiratet war. Clara will klassisch von ihrem Vater zum Altar geführt werden, doch der Grieche Vangelis (Tamer Trasoglu) ist ein zwar ungemein charmanter, aber vollkommen unzuverlässiger Tunichtgut. Auf der Suche nach einem Ersatzvater klappert Anna ihre früheren Liebhaber ab, was unter anderem Maximilian Grill einen amüsanten Gastauftritt beschert. Schließlich taucht aus heiterem Himmel gar Jugendliebe Robert (Stephan Luca) wieder auf, und es stellt sich raus, dass er an dem ganzen Schlamassel schuld ist.
Die Besetzung ist ausgesprochen namhaft; zum Ensemble gehören unter anderem noch Victoria Trauttmansdorff und Heio von Stetten als Eltern des Bräutigams. Viel zu tun haben beide allerdings nicht, sieht man davon ab, dass Claras zukünftige Schwiegermutter angesichts von Annas offenkundiger Ablehnung die Planung sämtlicher Feierlichkeiten an sich reißt. Trotzdem haben die Autorinnen – Walther hat den Film auch produziert – den Mitwirkenden viel Spielmaterial beschert; wenn’s richtig witzig wird, ist Elena Uhlig stets beteiligt. Regie führte Nico Sommer, der sich für diesen Film unter anderem mit der romantischen Degeto-Produktion "Verliebt auf Island" (2019) und dem Kinofilm "Lucky Loser" (2017, eine Koproduktion mit der ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel) empfohlen hat. Beide Komödien zeichneten sich nicht zuletzt durch die gute Arbeit mit dem jeweiligen Ensemble aus. Das gilt auch für "Mich hat keiner gefragt": Sämtliche Rollen sind gut besetzt und prima gespielt. Vita Tepel ist schon allein deshalb sehr präsent, weil die ernsthafte Clara als einzige Figur nicht komisch angelegt ist; natürlich fragt auch sie sich irgendwann, ob eine Hochzeit mit Anfang zwanzig wirklich vernünftig ist. Die Schauspielerin war eine der Hauptdarstellerinnen der Grimme-preisgekrönten Mystery-Webserie "Wishlist" (2016).
Viel Freude macht auch die flotte Umsetzung. Die Bilder (Kamera: Eugen Gritschneder) sorgen für heitere Sommerstimmung, das Licht vermittelt entsprechendes Wohlbehagen; es ist kein Zufall, dass die Sonne in vielen Szenen bereits recht tief steht. Stefan Maria Schneider liefert mit seiner munteren Musik die passende Untermalung. Abgerundet wird das Vergnügen durch witzige Einfälle wie jenen, als Anna zu Beginn ein schweres Paket Richtung Werkstatt zerrt und auf diese Weise auch den Filmtitel ins Bild holt. Einzig der Schluss passt nicht recht zum Wesen dieser starken Frau und der Botschaft des Films.