Im Lauf der Zeit hat sich zwar eine gewisse Nähe entwickelt, und in schwachen Momenten ist tatsächlich so etwas wie gegenseitige Zuneigung zu spüren, aber beste Freunde werden die beiden in diesem Leben vermutlich nicht mehr. Gleiches gilt für die Hauptfiguren der ZDF/ORF-Reihe "Die Toten von Salzburg", die das Schema auf die Spitze treibt, weil sich zur persönlichen Antipathie auch noch landsmannschaftliche Animositäten gesellen. Da die Salzburger Mordopfer aber regelmäßig Verbindungen nach Oberbayern haben, muss Major Palfinger (Florian Teichtmeister) zu seinem großen Verdruss jedes Mal aufs Neue mit dem oberbayerischen Grantler Mur (Michael Fitz) zusammenarbeiten.
Das Muster funktioniert auch im siebten Film famos, weil die Drehbücher (diesmal Silvia Wohlmuth und Klaus Ortner) regelmäßig dafür sorgen, dass sich die beiden Kontrahenten gegenseitig mit Süffisanz und vergifteten Nettigkeiten traktieren. Der Wiener Teichtmeister und der Oberbayer Fitz passen zudem perfekt zu ihren Rollen (oder umgekehrt), zumal gerade der gebürtige Münchner nur Nuancen braucht, um komische Akzente zu setzen. Wie es ihm gelingt, das auf den im Rollstuhl sitzenden Palfinger gemünzte Wort "Chef" in hörbare Anführungszeichen zu kleiden, ist kaum nachahmlich. Viel komisches Potenzial hat auch die Idee, Mur nach der Wiedervereinigung mit seiner Frau einer oberflächlichen Läuterung zu unterziehen: Er versucht sich an Intervallfasten und besucht einen Achtsamkeitskurs, aber das neue Feingefühl des Vorgesetzten ist seinem Mitarbeiter Wagner (Sebastian Edschmidt) nicht geheuer; als Choleriker war ihm Mur lieber.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Ein weiteres Qualitätsmerkmal der Bücher ist das besondere Augenmerk auf die Nebenfiguren, die mehr als bloß Stichwortgeber sind und sich anders als im "Tatort" weiterentwickeln dürfen: Palfingers Bruder Sebastian (Simon Hatzl), in den ersten Geschichten Pfarrer, fühlt sich seit der letzten Episode ("Schwanengesang") zu weltlichen Dingen hingezogen und liefert dank seiner wechselnden Interessen allerlei hintergründige Einblicke ins jeweilige Sujet. Eine ähnliche Bedeutung hatte von Anfang an Palfingers Vorgesetzter. Seywald, von Erwin Steinhauer mit viel Dünkel versehen, hatte im letzten Film sein Coming-out, was die Reihe um eine gewisse Relevanz ergänzt: Dem Hofrat wird ein vorzeitiger Ruhestand nahegelegt; die Landtagspräsident empfindet die sexuelle Orientierung in seiner Position als heikel. "Urlaub bis zum Sterben", sinniert Seywald – und lehnt dankend ab. Die Figur hat sich ohnehin zum Positiven gewandelt: Der Hofrat ist zwar nach wie vor recht blasiert und mit den Methoden des Majors nicht immer einverstanden, stellt sich aber stets schützend vor seine Mitarbeiter; diesmal droht Palfingers Kollegin Russmeyer (Fanny Krausz) Ärger, weil sie in einem Club versehentlich Haschkekse gegessen hat und angezeigt worden ist.
Bei gleich fünf zentralen Figuren scheint kaum noch genug Spielraum übrig, um den eigentlichen Anlass gebührend zu würdigen. Beim "Tatort" aus Münster ist das mitunter eine echte Schwachstelle, weil die Autoren mehr Wert auf die beim Publikum so beliebten Scharmützel zwischen den Protagonisten als auf die Krimiebene legen. Für "Die Toten aus Salburg" gilt das (noch) nicht, denn die vermeintlichen Nebenschauplätze sind geschickt mit der eigentlichen Handlung verwoben: In der Schiffsschraube eines Ausflugs-Amphibienbusses verfängt sich ein Koffer mit einer weiblichen Leiche; die chinesischstämmige Fremdenführerin Kang Lien ist erschlagen und in der Salzach versenkt worden. Die junge Frau ist die Tochter eines Traunsteiner Restaurantbesitzers, hat aber für das Salzburger Busunternehmen Mandl gearbeitet und war mit dem Sohn des Besitzers liiert. Da dieser Mann von Harald Schrott verkörpert wird, haben Couch-Kriminalisten umgehend ihren ersten Verdächtigen; tatsächlich stellt sich raus, dass die Bande zwischen Arbeitgeber und Angestellter enger waren, als Mandls Gattin und dem gemeinsamen Sohn lieb gewesen sein dürfte.
Die Krimihandlung ist nicht besonders kompliziert, selbst wenn neben dem Vater des Opfers noch ein Lederwarenhändler ins Spiel kommt, aber die Verdachtsmomente sind viel zu offenkundig, um diesen Franz Buchegger wirklich als Täter infrage kommen zu lassen: Kang Lien hat ihn wegen Stalkings angezeigt, er ist wegen sexueller Nötigung vorbestraft, der Koffer stammt aus seinem Geschäft, und Michael Fuith muss den Mann allzu deutlich als Antipathieträger verkörpern. Trotzdem ist diese Ebene in Verbindung mit dem neuen Broterwerb von Sebastian Palfinger sehr interessant, weil der Bruder ebenfalls als Fremdenführer tätig ist und von halbmafiösen Methoden im touristischen Gewerbe zu berichten weiß, die auch als Stoff für eine fesselnde Reportage taugen würden. Regie führte zum siebten Mal Erhard Riedlsperger, der den Filmbildern gemeinsam mit seinem langjährigen Kameramann Kai Longolius erneut einen ganz besonderen Look gegeben hat: Das Ledergeschäft ist in ein helles Braun getaucht, das nicht nur mit dem Warenangebot, sondern auch mit der Kleidung des Besitzers korrespondiert. Die Aufnahmen von Salzburg bei Nacht sind ohnehin eine Reise wert.