Das öffentliche Verhältnis der katholischen Kirche zur Sexualität im Algemeinen und zur Homosexualität im Besonderen ist ohne Frage mindestens verklemmt; aber im Vergleich zu fundamentalistischen Religionsverständnissen ist es geradezu entspannt. Der Israeli Haim Tabakman erzählt seine Geschichte vom "Coming out" eines Familienvaters zwar vor dem Hintergrund des streng orthodoxen Judentums, doch seine Parabel könnte genauso unter Islamisten spielen.
Die Umgebung ist schockiert
Die Inszenierung des Films ist so sparsam wie die Handlung: Aaron (Zohar Strauss), orthodoxer Metzger, glücklich verheiratet und Vater von vier Kindern, übernimmt die Fleischerei seines Vaters. Weil er noch eine Aushilfe sucht, kommt ihm der offenbar obdachlose Student Ezri (Ran Danker) gerade Recht. Eine zeitlang gelingt es Aaron, seine Gefühle zu unterdrücken, aber dann beginnt er ein stürmisches Verhältnis mit dem jungen Mann. Seine Umgebung ist schockiert: Homosexualität ist im Denken und Handeln dieser Menschen schlicht nicht vorgesehen.
Tabakman verzichtet fast völlig auf Fahrten, Zooms oder Schwenks. Er erzählt nicht mit Hilfe von Schnitten, sondern als Beobachter. Die Figuren inszeniert er ähnlich sparsam. Dank dieses radikalen Verzichts auf vordergründige Dynamik entwickelt der Film eine Kontemplativität, die in bewusstem Kontrast zu seiner skandalträchtigen Geschichte steht. Trotzdem ist "Du sollst nicht lieben" erst in zweiter Linie ein Plädoyer für Toleranz. Tabakman ermuntert vielmehr zu einer individuellen Authentizität, die viele gläubige Menschen seiner Meinung nach aufgeben, weil sie die damit verbundenen Konflikte scheuen. Aaron aber weigert sich, das von ihm erwartete Doppelleben zu führen.
Für das israelische Kino bedeutete der Film eine Provokation, die man hierzulande nicht annähernd nachvollziehen kann. Die Relevanz des Werks auch für hiesige Verhältnisse aber offenbart sich angesichts der jüngsten Kirchenskandale ohne weiteres.