Daraufhin sagte ich zu meinem Herzen: Versuch’s mal mit der Freude, genieße das Leben! Mit dem Ergebnis: Auch das ist Windhauch! Vom Lachen sagte ich: Was für ein Unsinn! Und von der Freude: Was bringt sie schon ein?
Jetzt wollte ich es genauer wissen: Ich trank Wein, um mich wohlzufühlen – aber nur so viel, dass ich bei klarem Verstand blieb. Ich ließ keine Dummheit aus, um herauszufinden: Was macht die Menschen glücklich bei dem, was sie tun unter dem Himmel – in der kurzen Zeit, die ihnen zum Leben bleibt? Ich habe große Werke geschaffen: Ich baute mir Häuser, pflanzte Weinberge. Ich legte Gärten an und pflanzte Bäume, die viele unterschiedliche Früchte tragen. Ich legte Teiche an, um den Wald zu bewässern. So konnten die Bäume darin herrlich wachsen. Ich kaufte mir Diener und Dienerinnen. Sklaven, die zum Haus gehörten, hatte ich schon. Auch Rinder und Schafe besaß ich in großer Zahl, mehr als alle meine Vorgänger in Jerusalem. Ich sammelte Silber und Gold, dazu Schätze von Königen und aus den Provinzen. Ich holte Sänger und Sängerinnen herbei.
Den Traum aller Männer machte ich wahr: einen großen Harem! So wurde ich mächtig und immer mächtiger, mehr als alle meine Vorgänger in Jerusalem. Bei allem half mir mein klarer Verstand. Ich ließ nichts aus, was meine Augen begehrten. Kein Herzenswunsch blieb unerfüllt. Ja, mein Herz freute sich bei der ganzen Arbeit, die ich getan hatte. Das war mein Anteil bei aller Mühe, die ich hatte. Doch dann dachte ich über alles nach, was ich mit meinen Händen geschaffen hatte – und über die Mühe, die es mich gekostet hatte: Alles ist Windhauch und vergebliche Mühe! Es gibt keinen Gewinn unter der Sonne.
Kohelet/Prediger 2,1-11. Hier vorgelesen von Helge Heynold.
Liebe Wohlgemute,
geht es Ihnen auch so? Ich freue mich derzeit an vielen kleinen Freiheiten, die ich wiedererlange. Beim Gottesdienst in meiner Gemeinde muss ich mich vorher nicht mehr anmelden. Nicht einmal mehr in eine Liste muss ich mich eintragen. Ich kann mich einfach auf einen Platz setzen und wieder merken, wie andere Menschen um mich herum sind. Richtig feierlich ist mir zumute, wenn wir unisono deutlich hörbar das Glaubensbekenntnis sprechen und das Vaterunser. Ich staune, wie ich mich an so kleinen Dingen freuen kann.
Wie anders geht es Kohelet, dem Autor unseres Wochentextes! Er stellt fest, dass alles vergänglich ist. Alles ist Windhauch oder „eitel“, wie es Luther übersetzt. Was aber soll das Leben einbringen, wenn letztendlich doch alles vergeht. Kohelet macht darum nacheinander mehrere Gedankenexperimente, um herauszufinden, welcher Lebensweg zu einem bleibenden Gewinn führt. Dazu begibt er sich auch in die Rolle des Königs Salomo. Er stellt sich vor, er sei dieser sagenhaft reiche, mächtige und weise König Israels. In der Rolle von Salomo gibt es keine Schranken für Kohelet. Als Weisester unter den Weisen sollte es ihm möglich sein, herauszufinden, was der Sinn des menschlichen Tuns ist. Aber immer wieder kommt er zu dem Ergebnis: Es ist alles Windhauch.
In unserem Wochentext ist der Versuchsgang „Freude“ an der Reihe. Kohelet stellt sich Salomo vor, wie der sich vornimmt, das Leben zu genießen. Er tut das unter genauer Selbstbeobachtung, denn er ist schließlich weise und will nicht aus purem Vergnügen genießen, sondern aus Sehnsucht nach Erkenntnis. Darum trinkt er, aber nicht bis zum Kontrollverlust. Er weiß beim Trinken ständig genau, wie viele Weinberge er hat, und beim Sex hat er immer im Blick, wie viele Frauen zu seinem Harem gehören. Was immer sich Kohelet ausdenkt, als Salomo kann er es sich gönnen. Und solange die jeweilige Freude währt, solange freut er sich daran. Doch wenn er anschließend darüber nachdenkt, bleibt nichts übrig. Es ist wieder alles Windhauch. Das Gedankenexperiment hat kein befriedigendes Ergebnis bringen können.
Anschließend versucht Kohelet es mit der Weisheit, dann mit dem Besitz, aber auch diese Versuche laufen ins Leere. Auch für König Salomo gilt, dass es weder Neues noch Ewiges gibt. Das hat nur Gott selbst schaffen können. Kohelet schließt daraus, dass auch die vergänglichen Momente, in denen sich der Mensch freuen und es sich gut gehen lassen kann, eben von Gott kommen. Sie sind nicht so sehr der Lohn für die eigene Arbeit als vielmehr der Ausgleich für sie. Freude ist ein Geschenk Gottes.
Zusammengefasst kann man also sagen: Müht euch ab, aber hofft nicht auf Lohn dafür! Freut euch aber, wenn es dazu Gelegenheiten gibt! Diese Gelegenheiten schenkt euch Gott völlig unverdient. Welche Freude! Ich brauche mir keine Wochenaufgabe mehr auszudenken, denn sie liegt ja auf der Hand: Freuen Sie sich, wenn Sie Grund zur Freude haben. Und wenn Sie den Anlass zur Freude merken, danken Sie Gott!
Viel Freude!
Ihr Frank Muchlinsky