TV-Tipp: "Morgen hör ich auf"

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TV-Tipp: "Morgen hör ich auf"
Mittwoch, 16. Juni, 3sat, 22.25 Uhr
Was wäre das Fernsehen für ein großartiges Medium, wenn es den Verantwortlichen nicht so oft an Mut und Fantasie mangeln würde. Die Serie "Morgen hör ich auf" ist ein ausgezeichneter Beleg dafür, im Guten wie im Schlechten.

Im Guten, weil sich wieder mal erweist, wie fruchtbar es sein kann, einen bekannten und auf ein bestimmtes Fach festgelegten Schauspieler gegen den Strich zu besetzen; und im Schlechten, weil maßgebliche Menschen beim ZDF die fünfteilige Serie bei ihrer Premiere im "Zweiten" (2016) ganz ernsthaft öffentlich als deutsches Pendant zum US-Hit "Breaking Bad" angekündigt haben. Solche Vergleiche erweisen sich in der Regel als schwerer Rucksack, und das nicht nur, weil sie falsche Erwartungen wecken; sie sprechen einer Produktion zwangsläufig auch ihre Eigenständigkeit ab.

Tatsächlich gibt es im Grunde nur eine Parallele zwischen "Morgen hör ich auf" und "Breaking Bad": In beiden Fällen steht einem bislang völlig unbescholtenen Familienvater das Wasser bis zum Hals, weshalb beide, wie sich breaking bad frei übersetzen lässt, vom rechten Weg abkommen. Aber während Chemielehrer Walter White als Drogenhersteller ungeahnte kriminelle Energie entwickelt, geht es dem braven Druckereibesitzer Jochen Lehmann (Bastian Pastewka) eher wie Goethes Zauberlehrling: Sein aus einer Laune heraus gedrucktes Falschgeld lockt Gesindel an, das er nicht mehr los wird.

Sicherlich hätte sich die Geschichte auch als zweiteiliger Fernsehfilm erzählen lassen können, aber gerade die Dauer von fünf Stunden gibt dem um Regisseur Martin Eigler verstärkten Autorenduo Sven S. Poser und Sönke Lars Neuwöhner die Möglichkeit, sich gerade für die Einführung der Figuren viel Zeit zu nehmen. Die Dramaturgie folgt einem derzeit fast schon üblichen Krimi- und Thrillermuster. Die erste Folge zeigt Lehmann auf der Flucht und blendet dann drei Monate zurück: Der Drucker ist dabei, die Insolvenz seines Kleinbetriebs zu verschleppen. Zwar versichert er seiner Frau (Susanne Wolff) mit scheinbar unerschütterlicher Zuversicht, dass alles gut werde, aber insgeheim stapeln sich die Mahnungen, neue Aufträge sind nicht in Sicht, und die Bank lässt auch nicht mehr mit sich reden. Als Tochter Laura seinen spontan gedruckten Fünfziger findet und die Banknote problemlos in einer Boutique loswird, lassen sich zumindest die dringendsten Probleme lösen: Lehmann beginnt, in großem Stil zu fälschen und das Geld in Frankfurt unters Volk zu bringen, nicht ahnend, dass er auf diese Weise große Begehrlichkeiten weckt, als ihm ein Ganove (Georg Friedrich) auf die Schliche kommt: Dessen Boss (Simon Schwarz) ist eine echte Unterweltgröße, und plötzlich wird aus Lehmanns Flirt mit der dunklen Seite tödlicher Ernst.

Es war eine brillante Idee, für die Rolle des braven hessischen Kleinstädters Bastian Pastewka zu engagieren. Dass der Komödiant ein vorzüglicher Schauspieler ist, hat er nicht nur in der Sat.1-Serie bewiesen, die seinen Namen trägt, sondern auch in Filmen wie "Zwei Weihnachtsmänner" oder "Mutter muss weg", seiner ersten ZDF-Arbeit. In "Morgen hör ich auf" verzichtet er allerdings völlig auf jedwede Comedy-Stilmittel. Das "Zweite" hat die Serie zur Ausstrahlung vor fünf Jahren zwar als Mischung aus Komödie, Drama und Krimi angepriesen, aber der komische Anteil ist dabei noch am überschaubarsten. Trotzdem ist die Kombination des Komikers mit Bühnenstar Susanne Wolff hochinteressant und ebenso mutig wie die Genremixtur. Unbedingt erwähnenswert ist zudem die vorzügliche Bildgestaltung durch Kameramann Christoph Chassée, der mit Eigler ebenfalls fürs ZDF auch diverse "Stralsund"-Krimis gedreht hat. 3sat zeigt heute die erste Episode; die weiteren folgen morgen und übermorgen sowie am 22. und 23. Juni jeweils um 22.25 Uhr.