Luther statt Siegfried in Worms

Nibelungenfestspiel vor dem Kaiserdom in Worms
© Bernward Bertram
Nibelungenfestspiel vor dem Kaiserdom in Worms. Dieses Jahr im Juli geht es ausnahmsweise nicht um die Nibelungensage, sondern um den Reformator Martin Luther.
Festspiele
Luther statt Siegfried in Worms
Auf der Festspiel-Bühne am Wormser Kaiserdom geht es im Juli ausnahmsweise nicht um die Nibelungensage, sondern um den Reformator Martin Luther. 500 Jahre nach dem Wormser Reichstag dreht sich bei den Nibelungen-Festspielen alles um dessen Ideen.
06.06.2021
epd
Karsten Packeiser

Bevor Schauspieler und das Team um die ungarische Regisseurin Ildikó Gáspár am Montag zur ersten gemeinsamen Probe zusammenkommen, geht es für alle erst einmal zum Corona-Schnelltest. Doch das ist eher eine Nebensächlichkeit, denn nach monatelanger Unsicherheit scheint sich allmählich abzuzeichnen, dass die Wormser Nibelungen-Festspiele 2021 tatsächlich vor Publikum stattfinden können. Ungewöhnlich sind nicht nur die Umstände der Festival-Proben in der Corona-Krise. Zum 500. Jahrestag des Wormser Reichstags gibt es keine Neuinszenierung der Nibelungensage zu sehen, sondern ein Stück des Schweizer Bühnenautors Lukas Bärfuss über den Reformator Martin Luther (1483-1546).

Luthers Auftritt in Worms gilt allgemein als Wendepunkt der europäischen Kirchengeschichte, denn auf dem Reichstag weigerte sich der Augustinermönch, seine Lehren zu widerrufen. „Der Bischofspalast, Schauplatz des Reichstags, befand sich genau dort, wo unsere Tribüne steht“, sagt Thomas Laue, der künstlerische Leiter der Festspiele. „Ich wüsste gar nicht, wie wir in diesem Jahr ein Nibelungen-Stück hätten aufführen sollen.“

Auf der Bühne am Wormser Kaiserdom sollen die Zuschauer vom 16. Juli bis zum 1. August erleben, wie die Ideen des Wittenberger Theologie-Professor auf seine mächtigen Zeitgenossen wirkten. „Lukas Bärfuss hat ein sehr politisches Stück geschrieben“, sagt Laue. „Es geht darum, wie die Idee der Reformation eine solche Dynamik entwickelt hat, bis keiner mehr daran vorbeigekommen ist.“ Luther selbst wird auf der Bühne von keinem Schauspieler verkörpert, allerdings soll er trotzdem „permanent anwesend“ sein.

Sunnyi Melles spielt den Papst 

Dafür sorgt ein illustres internationales Schauspieler-Ensemble. Die Schweizer Schauspielerin Sunnyi Melles wird als Papst Leo X. zu sehen sein, Julischka Eichel als dänische Prinzessin Elisabeth, Jan Thümer als Kurfürst von Brandenburg und Jürgen Tarrach als dessen Bruder Albrecht. „Ich bin ganz glücklich und fast demütig, vor diesem Dom zu spielen“, erzählt Melles.

Sie habe „blind zugesagt“, als sie das Angebot aus Worms erhalten habe. „Lukas Bärfuss zeigt, wie so ein Papst agiert und reagiert. Dabei gibt es nicht die Guten und die Bösen, alle haben gute Seiten und Schattenseiten.“ Obwohl es um Ereignisse von vor 500 Jahren gehe, sei das Stück höchst aktuell. „Machtmissbrauch, Gier, Religionskriege - das alles ist geblieben“, sagt die Schweizerin. „Mich erschreckt das. Wir sind heute vielleicht gebildeter als die Menschen damals, aber Wissen schützt nicht vor Torheit.“

Trotz Corona "mit Volldampf"

Trotz Corona-Krise seien die Vorbereitungen für die Festspiele immer „mit Volldampf“ vorangetrieben worden, berichtet Thomas Laue. „Sie können schließlich nicht mit einem Fuß auf dem Gaspedal und mit dem anderen auf der Bremse stehen.“ Dabei waren viele Veranstaltungen zum Wormser Reichstagsjubiläum bereits der Pandemie zum Opfer gefallen, oder sie mussten - wie die spektakuläre Multimedia-Show der evangelischen Kirche - ohne Live-Publikum übertragen werden.

Und noch vor einigen Tagen sahen die Zahlen in Worms gar nicht gut aus. Die Stadt am Rhein war wegen ihrer lange fast unverändert hohen Inzidenzwerte eines der größten Corona-Sorgenkinder unter den Kommunen in Rheinland-Pfalz. Erst allmählich entspannt sich die Lage. Trotzdem wird das Festival nur mit erheblichen Einschränkungen und Hygienemaßnahmen stattfinden können. Im Vergleich zu den Vorjahren planen die Veranstalter deutlich weniger Zuschauer pro Vorführung, was ein Loch in die Kassen reißen wird. „Man kann das schon beziffern“, seufzt der Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel (CDU). Die Stadt habe ihre Zuschüsse für das Festival bereits um 300.000 Euro angehoben.

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