TV-Tipp: "Limbo"

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TV-Tipp: "Limbo"
1. Juni, ARD, 22.50 Uhr
Auf dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse bewegen sich die beiden Hauptfiguren einer ziemlich spannenden Mixtur aus Drama, Krimi und Thriller. Die Mitarbeiterin Ana kommt auf die Spur von illegalen Wettgeschäften in der Finanzbranche.

Die meisten Menschen werden bei "Limbo" vermutlich an den karibischen Tanz denken, bei dem man sich mit Hilfe von allerlei Verrenkungen unter einer Latte durchschlängeln muss. Anil Kizilbuga (Buch) und Tim Dünschede (Regie) möchten bei ihrem Debüt jedoch eine andere Assoziation wecken. Wer den fast gleichnamigen letztjährigen "Tatort" aus Münster ("Limbus") gesehen hat, wird sich erinnern: Der Limbus ist in der katholischen Theologie so etwas wie der Vorhof zur Hölle; hier harren verstorbene Seelen ihres weiteren Schicksals. Zu diesen Seelen zwischen Gut und Böse gehören auch die beiden Hauptfiguren dieser ziemlich spannenden Mixtur aus Drama, Krimi und Thriller.

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Die Handlung beginnt mit einer Entdeckung am Freitagabend: Ana (Elisa Schlott), eine antikapitalistische Idealistin, die als Angestellte eines Unternehmens aus dem Finanzsektor darauf achten soll, dass sich ihr neuer Arbeitgeber an die Regeln hält, findet heraus, dass eine Beratungsfirma seit Jahren viel zu hohe Rechnungen gestellt hat; es handelt sich immerhin um eine dreistellige Millionensumme. Umso seltsamer, dass sich Geschäftsführer Mailing (Mathias Herrmann), den sie gerade noch erwischt, als er das Haus auf dem Weg zu einer Veranstaltung verlässt, überhaupt nicht für ihre Entdeckung zu interessieren scheint. Sein Begleiter (Steffen Wink) findet jedoch Gefallen an der Hartnäckigkeit der jungen Mitarbeiterin und lädt sie ein mitzukommen. Zur gleichen Zeit wird der verdeckte Ermittler Carsten (Tilman Strauß), der eigentlich Yannic heißt, für einen wichtigen Einsatz instruiert: Er soll die Daten einer Bande abgreifen, die in einer stillgelegten Fabrik illegale Kämpfe und entsprechende Wettgeschäfte organisiert; im Hintergrund geht es um Geldwäsche in großem Stil. Um in den inneren Kreis vordringen zu können, hat sich der Polizist das Vertrauen des Kleinganoven Ozzy (Martin Semmelrogge) erschlichen. Da Mailing ebenfalls auf dem Weg zu der Fabrik ist, treffen schließlich alle aufeinander. Dabei kommt es zu überraschenden Begegnungen, denn einige der Beteiligten kennen sich ziemlich gut, weshalb nicht nur Yannics Tarnung aufzufliegen droht, sondern auch Ana in große Gefahr gerät.

Zu einem besonderen Werk wird "Limbo", Abschlussfilm von Dünschede und Kameramann Holger Jungnickel an der Münchener HFF, durch die mutige Entscheidung, die Geschichte in Echtzeit und in einer Einstellung zu erzählen. Die Kamera ist dabei auf Schritt und Tritt stets ganz nah an den Protagonisten, was die Bilder intensiv und authentisch wirken lässt. Dünschede hätte die Handlung auch klassisch umsetzen können, aber der Verzicht auf Schnitt sorgt natürlich für einen besonderen Kick. Der Preis dafür sind einige Szenen, in denen die Abläufe so lange dauern, wie sie nun mal dauern; gleich mehrmals wandern die Mitwirkenden treppauf, treppab durch die leerstehende Fabrik, in der unten die Kämpfe stattfinden und oben der von allen bloß "Wiener" genannte Drahtzieher (Christian Strasser) residiert. Dünschede leistet sich übrigens den Luxus, die Kämpfe im Hintergrund stattfinden zu lassen; erst am Schluss, als Ozzys Boxer antritt, steigt die Kamera ebenfalls in den Ring. Weil eine übliche Ausleuchtung bei einer derartigen Arbeitsweise natürlich kaum möglich ist, gibt es mitunter bloß ein bisschen Restlicht; und manchmal nicht mal das. Logistisch ist "Limbo" allerdings eine Meisterleistung, schließlich wirken gerade bei den Kampfszenen auch eine Menge Komparsen als Zuschauer mit; das klappt nur bei exakter Choreografie. Trotzdem ist das Risiko dieses Arbeitsprinzips enorm: Wenn beim herkömmlichen Dreh was schiefgeht, wird die Einstellung ("Take") einfach wiederholt; auch beim Schnitt lässt sich so Manches noch korrigieren.

Natürlich ist die Idee des fließenden Perspektivwechsels nicht neu, aber das Trio Kizilbuga, Dünschede und Jungnickel hat elegante Lösungen gefunden, um die Geschichte aus immer wieder anderen Blickwinkeln schildern zu können. Als Mailings Limousine hält, weil sich sein Begleiter Zigaretten besorgen will, nutzt die Kamera die Gelegenheit, um im Umweg über die Verkäuferin zu Carsten zu gelangen. Der setzt sich ins Auto, gabelt Ozzy auf und fährt zu Wieners Hauptquartier. Martin Semmelrogge Dialoge klingen zwar nach reinem Überbrückungsgequassel, zumal der Schauspieler ohnehin wie eine Parodie seiner selbst wirkt; andererseits ist Ozzy einer dieser typischen Filmversager, deren vermeintlich todsichere "große Dinger" zuverlässig Schnapsideen sind, und das spielt Semmelrogge sehr glaubwürdig. Auch die weiteren wichtigen Rollen sind treffend besetzt: Tilman Strauß, zumindest im Fernsehen bislang nur in Nebenrollen zu sehen, ist ein vielversprechender Typ mit interessanter Ausstrahlung. Gleiches gilt für den Österreicher Christian Strasser. Er verkörpert den Kampfveranstalter und Wettorganisator als leutseligen Gangster, bei dem selbst unverblümte Drohungen dank des Dialekts noch freundlich wirken. Mathias Herrmann schafft es, Anas betrügerischen Chef am Ende sogar als tragische Figur erscheinen zu lassen, und Elisa Schlott ist ohnehin ein Gewinn für jeden Film. Großen Anteil an der Gesamtqualität hat auch die Musik, und das nicht nur, weil sie der Handlung über jene Momente (treppauf, treppab) hinweghilft, in denen nicht viel passiert; David Reichelt untermalt die verschiedenen Ebenen und damit die jeweiligen Persönlichkeiten auch mit unterschiedlichen musikalischen Stilarten.