"Arbeiter im Weinberg des Herrn"

Portrait von Helmut Hild
© EKHN
Helmut Hild (1921–1999) war von 1973 bis 1985 Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
"Arbeiter im Weinberg des Herrn"
Früherer EKHN-Präsident wäre heute 100 Jahre alt
Eigentlich wollte er Sportjournalist werden. Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs entschied sich Helmut Hild jedoch für den Pfarrberuf und schaffte es Mitte der 70er Jahre sogar an die Spitze der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
23.05.2021
epd
Dieter Schneberger

Er galt als nachdenklich, kühl und sachlich. Anders als sein charismatischer Vorvorgänger Martin Niemöller (1892-1984), der keinen Konflikt scheute und das Bad in der Menge suchte, war der dritte hessen-nassauische Kirchenpräsident Helmut Hild ein Mann des Ausgleichs und der Toleranz, ein Moderator und Brückenbauer, der gerne im Hintergrund wirkte. Gleichwohl wurde seine Stimme gehört und respektiert.

Hild wurde vor 100 Jahren, am 23. Mai 1921, im mittelhessischen Weinbach bei Limburg geboren. Er starb am 11. September 1999 in Darmstadt. Die Amtszeit des evangelischen Theologen (1969 bis 1985) war geprägt von scharfen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, in denen die Landeskirche ihren Ruf als „politisch und ökumenisch exponiert“ sowie offen und streitbar bestätigte. Dies galt für den Konflikt um die Unterstützung des Antirassismus-Programms des Weltkirchenrats ebenso wie für den Streit um die Anstellung von Pfarrvikaren mit einem DKP-Parteibuch und den Bau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens.

Hild selbst verstand sich eher als „Arbeiter im Weinberg des Herrn“ denn als Prophet. Dabei habe er es verstanden, „die friedensstiftende Kraft des Evangeliums inmitten der Veränderungen seiner Zeit zur Sprache zu bringen, um Menschen zueinander zu führen“, bescheinigt ihm der gegenwärtige Kirchenpräsident Volker Jung. Vor allem sei bei ihm spürbar gewesen, „wie sein politisches Denken im tiefen persönlichen Glauben verankert war“.

Aussöhnung mit Völkern des Ostens

Auf eine Persönlichkeit wie Helmut Hild konnte auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nicht verzichten. Er war von 1973 bis 1985 stellvertretender Vorsitzender des Rates und repräsentierte bei vielen Anlässen den deutschen Protestantismus in der Ökumene, etwa 1975 auf der Vollversammlung des Weltkirchenrates im kenianischen Nairobi.

Hilds besonderes Engagement galt der Aussöhnung mit den Völkern des Ostens, insbesondere mit Polen, das er insgesamt 26 Mal besuchte. 1971 führte er die erste Delegation einer Landeskirche, 1973 eine weitere der EKD nach Warschau. Auf seine Initiative hin entstand 1977 das evangelische Hilfswerk „Zeichen der Hoffnung“, das bis heute ehemalige Häftlinge in Polen unterstützt. Für seine Verdienste um die deutsch-polnische Zusammenarbeit wurde er von der Christlich-theologischen Akademie in Warschau mit der Ehrendoktorwürde und vom polnischen Staat mit dessen Verdienstorden ausgezeichnet.

Der Pfarrerssohn meldet sich 1938 als 16-jähriger Abiturient freiwillig zur Wehrmacht. 1942 tritt er dem „Bund christlicher Offiziere“ bei, der über lockere Verbindungen zum Verschwörerkreis des 20. Juli 1944 verfügte. Zweifel kommen dem inzwischen zum Oberleutnant avancierten Hild aber erst in der Kriegsgefangenschaft in Italien. Dort reift sein Entschluss, das angestrebte Sport- und Germanistikstudium fahren zu lassen und Theologie zu studieren.

„Glücklichste Zeit“ als Pfarrer im Westerwald

Besonders geprägt wird er an seinem Studienort Marburg an der Lahn von seinen akademischen Lehrern Rudolf Bultmann (1884-1976) und Paul Tillich (1886-1965): Bultmann schätzt er wegen seiner Bemühungen um ein modernes Bibelverständnis und die Entmythologisierung des Neuen Testaments, Tillich wegen seiner „tiefgründigen Analysen der Zeit und der Geschichte“. Seine „glücklichste Zeit“ verbringt Hild nach eigener Aussage Mitte der 50er Jahre als Gemeindepfarrer in Westerburg im Westerwald, wo er sonntags mitunter bis zu viermal predigt. Die von den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit gezeichneten Menschen seien „in Scharen“ gekommen, um Gottes Wort zu hören.

Ein besonderes Anliegen war Hild die Außenwirkung der Kirche. 1960 wird er zum ersten hauptamtlichen Öffentlichkeitspfarrer der Landeskirche berufen, 1964 zum Vorsitzenden des Evangelischen Gemeindeverbands Frankfurt, dem Vorläufer des Regionalverbands. Später gehörte er dem Fernsehrat des ZDF an und war mehrere Jahre Vorstandsvorsitzender des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik. Für seine Verdienste sprechen nicht zuletzt die Ehrungen aus dem staatlichen Bereich: das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern, der Hessische Verdienstorden und die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt.