Klima- und Corona-Krise, Frauen im Priesteramt sowie die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt: Aktuelle politische Fragestellungen und innerkirchliche Streitthemen haben am Samstag den 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main geprägt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich gegen ein Vorziehen des deutschen Kohleausstiegs aus. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte, er sehe vorerst keine Chance für Frauen, in der katholischen Kirche Priesterin zu werden.
Merkel sagte zum Kohleausstieg spätestens 2038, die von den Beschlüssen betroffenen Menschen bräuchten "schon ein Stück Verlässlichkeit auf dem Weg hin zu Klimaneutralität". "Ich möchte nicht nach einem Jahr das jetzt alles wieder aufschnüren", sagte die Kanzlerin beim vorab aufgezeichneten Podium "Zukunft geht nur gemeinsam: Warum Klimaschutz alle Generationen braucht". Die "Fridays for Future"-Klimaaktivistin Luisa Neubauer sagte, die Bundesregierung habe über Jahrzehnte hinweg den Klimaschutz nicht nur verschlafen, sondern ihn blockiert und damit die Klimakrise vorangetrieben.
Maas gegen Patent-Freigabe von Impfstoff
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock verlangte Marktregeln und eine Förderpolitik, die erneuerbaren Energien den Vorrang gibt. Derzeit würden fossile Energien mit Milliarden subventioniert, erneuerbare Energien hätten keine Chance. "Der Markt ist bisher ungerecht", sagte Baerbock bei einer anderen Veranstaltung des Kirchentages, die wie die meisten wegen der Corona-Pandemie aufgezeichnet worden war und seit Samstag abrufbar ist.
Ebenfalls bei einem aufgezeichneten Podium sprach sich der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) gegen eine kurzfristige Freigabe von Corona-Impfstoff-Patenten aus. Er empfahl anstelle dessen direkte Partnerschaften zwischen Entwicklungsländern und Impfstoffproduzenten.
Der am Donnerstag eröffnete 3. Ökumenische Kirchentag steht unter dem Leitwort "schaut hin". Aufgrund der Corona-Pandemie findet das Laienfest von Protestanten und Katholiken mit rund 100 Veranstaltungen digital und dezentral weitgehend ohne Publikum vor Ort statt. Der Kirchentag geht am Sonntag mit einem Schlussgottesdienst am Frankfurter Mainufer zu Ende.
Der Limburger Bischof Bätzing sagte bei einem Live-Gespräch, dass über Frauen im Priesteramt nicht in wenigen Jahren entschieden werden könne. Diese Frage hätten zuletzt die drei Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus als beantwortet erklärt, "da können wir als deutsche Katholiken nichts dran ändern". Allerdings gebe es Bewegung bei der Zulassung von Frauen ins Diakonat, fügte Bätzing hinzu.
Bei einer weiteren Live-Veranstaltung unterstrich Diakonie-Präsident Ulrich Lilie seine Forderung nach einer offenen Debatte über Suizidassistenz. Das Thema müsse auch in der Kirche besprechbar sein, sagte er. Es gehe darum, mehr "Einzelfallgerechtigkeit" einzuüben. Hintergrund der Diskussionen ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, das das Verbot organisierter Hilfe bei der Selbsttötung gekippt und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben herausgestellt hatte.
Betroffene kritisiert EKD
Die Pädagogin und Religionswissenschaftlerin Katharina Krach warf der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt Machtmissbrauch vor. Die einseitige Auflösung des Betroffenenbeirats der EKD am vergangenen Montag sei "absolut fatal", sagte Kracht, die selbst Missbrauch in der Kirche erlebt hat, bei einer weiteren Veranstaltung.
Die EKD hatte am Montagabend das vorläufige Aus des Betroffenenbeirats bekanntgegeben. Die Konzeption sei gescheitert, hieß es. Grund sind demnach erfolgte Rücktritte aus dem Gremium, interne Konflikte und Dissens zwischen dem Betroffenenbeirat und dem Gegenüber auf EKD-Seite, dem Beauftragtenrat, über das weitere Vorgehen.
Kracht, die selbst Mitglied im Betroffenenbeirat gewesen ist, wies die Darstellung der EKD zurück. Die EKD habe das Gremium einseitig aufgelöst - gegen das Votum der Mehrheit der im Betroffenenbeirat verbliebenen Mitglieder.