Den Wiederaufbau eines von Trümmern freigeräumten ehemaligen Häuserblocks am Römerberg ließen die Stadtoberen eigens verschieben, damit bei der Eröffnung genug Platz für alle war: Als in Frankfurt im August 1956 erstmals ein Deutscher Evangelischer Kirchentag stattfand, fielen die Kriegsspuren dort noch deutlich ins Auge. Drei weitere Male - 1975, 1987 und 2001 - war die Stadt später Gastgeberin der Protestanten-Treffen. Auch Katholikentage gab es bereits am Main, der letzte liegt jedoch etwa 100 Jahre zurück.
„Über unserem Kirchentag steht das Wort der Versöhnung“, begrüßte der damalige hessen-nassauische Kirchenpräsident Martin Niemöller die Teilnehmer des ersten Frankfurter Kirchentags. In Diskussionsrunden ging es um Wiederbewaffnung und die Sonntagsruhe. Zur Abschlussversammlung kamen 600.000 Menschen auf das ehemalige Flughafengelände - mehr, als jemals wieder in der Kirchentagsgeschichte.
25.000 Besucher durften aus der DDR kommen
Frankfurt, damals noch ohne die charakteristische Skyline des Bankenviertels, wurde 1956 mitten im Kalten Krieg für einige Tage auch zu einem deutsch-deutschen Treffpunkt. Dank der zeitweise weniger strengen Reisebestimmungen konnten rund 25.000 Besucher aus der DDR in den Westen kommen. Die DDR-Reichsbahn organisierte sogar Sonderzüge.
Kurzfristig war es noch gelungen, trotz der herrschenden Wohnungsnot genügend Unterkünfte für die Dauergäste zu beschaffen. Aber auch Geschäftemacher nutzten die Gunst der Stunde. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ notierte: „Die Kirchentagsleitung hat bereits an dem Tag, als die ersten Interzonenzüge Gäste nach Frankfurt brachten, drastisch darauf hingewiesen, dass Kirchentagsbesucher keine 'Messeonkels' mit dicken Brieftaschen seien.“
Konservative organisierten Gegenveranstaltung
Beim nächsten Frankfurter Kirchentag 19 Jahre später hatten sich Stadt und Bundesrepublik bereits gravierend verändert. Beim Eröffnungs-Gottesdienst warnte der damalig Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Helmut Claß, vor der fortschreitenden Umweltzerstörung. Es sei ein Punkt erreicht, an dem der Mensch nicht mehr alles tun dürfe, was technisch machbar sei: „Niemand darf die Hand an Gottes Schöpfung legen.“
Auch die Risse quer durch die evangelische Kirche wurden 1975 in Frankfurt deutlich. Konservative Protestanten sahen im Kirchentag nur noch einen Ausdruck „modernistischer Zeitgeist-Theologie“ oder gar „eine Art Kirmes“. Mit dem „Gemeindetag unter dem Wort“ in Stuttgart organisierten sie zum zweiten Mal zeitgleich eine Gegenveranstaltung. Die Reformtheologin Dorothee Sölle entgegnete Kritikern, die vor einer „marxistischen Kirche“ warnten, die Kirche dürfe ganz im Gegenteil nicht weiter „kapitalistisch bleiben“.
Proteste gegen das Apartheid-Regime
Mit Eleonore von Rotenhan leitete 1987 in Frankfurt erstmals in der Geschichte der evangelischen Laienbewegung eine Frau als Präsidentin den Kirchentag. Der war zwei Jahre nach dem Amtsantritt des Reformers Michail Gorbatschow vom Wunsch nach Aussöhnung mit den Völkern der Sowjetunion und einem Ende der Ost-West-Konfrontation geprägt.
Der Kampf gegen die südafrikanische Rassentrennung wurde zu einem weiteren zentralen Thema. Aus Protest gegen Geschäfte mit dem Apartheid-Regime hatte das Kirchentagspräsidium kurz vor dem Treffen öffentlichkeitswirksam seine Konten bei der Deutschen Bank gekündigt. Parallel zum Kirchentag demonstrierten Tausende in der Frankfurter Innenstadt gegen die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und Südafrika.
Kontroversen um Gentechnik
Nach dem bislang letzten Frankfurter Kirchentag 2001 kam sogar die Idee auf, für die Zukunft auf wechselnde Gastgeber-Städte zu verzichten und die Finanzmetropole auf Dauer als Veranstaltungsort festzulegen. Als sichtbares Zeichen des Protestantentreffens dienten zwölf riesige aufblasbare Christus-Figuren, die - gegen anfänglichen Widerstand der Bauaufsicht - auch auf Hochhaustürmen montiert wurden und an das berühmte Gipfelkreuz in Rio de Janeiro erinnerten.
Kontroversen gab es unter anderem über Chancen und Risiken der Gentechnik. So äußerte etwa die CDU-Vorsitzende und spätere Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Streitgespräch ihre Vorbehalte gegen Embryonen-Forschung. Überschattet wurde das Treffen im Vorfeld aber auch von einer Frage, die den Verantwortlichen für den bevorstehenden Ökumenischen Kirchentag ziemlich bekannt vorkommen dürfte - der Debatte über die Liturgie für ein Feierabendmahl und gemeinsame Abendmahlsfeiern von Katholiken und Protestanten.