Das hat vor allem mit dem Titeltrio, seinen jeweiligen Geschichten sowie natürlich dem gut zusammengestellten Ensemble zu tun: Uwe Ochsenknecht als verwitweter Anführer Werner Träsch, der mit Späti-Inhaberin Gabi (Adelheid Kleineidam) ein neues Glück gefunden hat, das aber nach wie vor recht fragil ist; Jörn Hentschel als Fahrer Ralle, früher mal ein Mathematiker und hochintelligent, der irgendwann sein einstiges Leben hinter sich gelassen hat; und schließlich Tarik (Aram Arami), deutlich jünger als die Kollegen und mit Werners Tochter Annika (Laura Louisa Garde) liiert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dank der gänzlich unterschiedlichen Biografien gibt es vielfältige Anknüpfungspunkte, die sich die jeweiligen Autoren gern zunutze machen. Prägende Gemeinsamkeit der Männer ist ihr Engagement ohne Eigennutz: weil sie im Verlauf ihrer Touren nicht nur den Müll versorgen, sondern auch allerlei Strandgut des Lebens auflesen. In der fünften Episode, "Die Streunerin", entdeckt Werner einen Teenager zwischen den Tonnen, aber das Mädchen will seine Hilfe nicht und läuft davon. Weil auch Berlin bloß ein Dorf ist, kreuzen sich die Wege kurz drauf erneut. Die junge Frau heißt Luna (Carolin Garnier) und lebt auf der Straße; wie mindestens 2.000 weitere Jugendliche in der Hauptstadt. Dank Annikas Verbindungen kann Werner sie in einem Frauenhaus unterbringen, aber da Haustiere dort verboten sind und Luna sich nicht von ihrer weißen Ratte trennen will, klingelt sie gar nicht erst. Als sie direkt vor Gabis Spätkauf von drei Typen bedrängt wird, erfährt Werner endlich ihre Geschichte: Sie erwartet ein Baby von Latif (Nicolas Rathod). Der junge Mann stammt aus einer streng konservativen Migrationsfamilie. Luna wollte sich den Traditionen nicht unterwerfen; seither ist sie auf der Flucht vor Latifs Brüdern.
Der zweite Handlungsstrang ist nicht minder interessant und bietet Martin Brambach die Gelegenheit, das ganze Spektrum einer zunächst als Gegenspieler eingeführten Rolle auszukosten: Eine Unternehmungsberatung soll die Betriebsabläufe bei der Müllabfuhr optimieren. Deshalb wird das Trio einige Tage von Hanno Felsenhain begleitet, der aber meistens im Weg steht, weil er dauernd in die Tonnen schaut und Daten in seinen Laptop eingibt. Außerdem behandelt er die Männer ziemlich von oben herab. Gegenüber Luna, die sich als äußerst talentierte Zeichnerin entpuppt, zeigt er sich allerdings von einer ganz anderen Seite. Tatsächlich stellt sich nach und nach raus, dass Hanno tragische Jahre hinter sich hat, und schließlich trägt der vermeintliche Erbsenzähler sogar maßgeblich dazu bei, dass sich alles zum Guten fügt.
Dieses Ende hat Gernot Gricksch, Autor unter anderem der ausgezeichneten Wahlkampfkomödie "Der Hodscha und die Piepenkötter" (2016) sowie mehrerer "Kommissar Dupin"-Krimis, in seinem ersten Drehbuch für die Reihe äußerst geschickt eingefädelt, wie ohnehin sämtliche Handlungswendungen jederzeit plausibel sind. Das gilt auch für die Beziehungsebene. Sie bildet den dritten Erzählstrang: Werner überrascht seine Gabi zum zweiten Jahrestag mit einem Urlaub auf Fuerteventura, aber sie hat keine Lust auf Wellness im Vier-Sterne-Hotel, sondern will lieber Kultur in Vendig und Florenz erleben. Deshalb schmollt Werner fortan ein bisschen; aber auch dafür findet sich eine Lösung.
Das mag im Vergleich gerade zu Freitags-"Medicals" wie "Praxis mit Meerblick", in denen es nicht selten um Leben und Tod geht, alles etwas harmlos klingen, aber Hagen Bodanski (Regie und Kamera) hat den verschiedenen Geschichten bei seiner dritten Regiearbeit für die Reihe genau den richtigen Tonfall gegeben. Die Stimmung des Films ist auch dank der munteren Musik (Biber Gullatz, Lukas Kiedaisch) und einer lebensfrohen Song-Auswahl ohnehin beschwingt, selbst wenn die behandelten Themen durchaus tragischer Natur sind: Felsenhain ist durch einen Schicksalsschlag komplett aus der Bahn geworfen worden, Lunas fieser Vater hat die eigene Tochter verkauft; kein Wunder, dass sich Werners und Gabis Uneinigkeit angesichts solcher Dramen quasi von selbst erledigt. Über allem schwebt jedoch die ausgeprägte Nächstenliebe des Trios: Wenn Mitmenschen in Not sind, zögern die Männer keine Sekunde; Vorbilder dieser Art kann es gar nicht genug geben. Das gilt auch für eine der Hauptfiguren, deren Homosexualität sehr beiläufig und ganz selbstverständlich eingeflochten wird.