Berlin (epd). Vertreter der Friedensbewegung haben die global erneut gestiegenen Militärausgaben scharf kritisiert. Die neuesten Zahlen des Sipri-Forschungsinstitutes seien alarmierend, sagte die Vorsitzende der Friedensärzteorganisation IPPNW Deutschland, Angelika Claussen, am Montag in Berlin. Während im vergangenen Jahr fast zwei Billionen US-Dollar für Rüstung ausgegeben wurden, seien weltweit bislang 3,1 Millionen Menschen an Covid-19 gestorben.
Auch angesichts weiterer globaler Krisen wie der Erderwärmung und dem Verlust der Artenvielfalt fordere IPPNW einen Paradigmenwechsel. "Weltweit müssen die Regierungen Sicherheit neu denken, zivil denken. Es geht um die Abkehr von militärischen Lösungen, die die Sicherheitspolitik bis heute dominieren", sagte Claussen. Nötig sei ein "Abrüsten für Gesundheit und Klimaschutz".
"Krieg und Militär sind Klimakiller Nummer eins", sagte der Vorsitzende der Naturfreunde Deutschland, Michael Müller. Er sprach sich mit Blick auf eine internationale Abrüstungspolitik für das Konzept der "Gemeinsamen Sicherheit" aus.
Der Geschäftsführer des Internationalen Friedensbüros (IPB) in Berlin, Reiner Braun, kritisierte insbesondere die gestiegenen Rüstungsausgaben der USA, der Nato, der EU und Deutschlands. Von einer Bedrohung durch Russland könne dagegen nicht gesprochen werden, sagte Braun. Laut Braun sind es vor allem die "Regierungen der westlichen Wertegemeinschaft, die Waffen und Krieg über die Gesundheit und sozialen Sicherheiten" ihrer Bevölkerung stellen.
Die deutsche IPPNW-Vorsitzende Claussen betonte dagegen, dass sechs der zehn Staaten, die weltweit aufrüsten, Atomwaffenstaaten seien. Dazu zählten die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Indien. Alle Atomwaffenstaaten hielten am Dogma der nuklearen Abschreckung fest. Die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) forderten deshalb insbesondere "nukleare Abrüstung, Diplomatie und Entspannungspolitik". Statt immer neuer Bedrohungsszenarien sei eine Sicherheitspolitik nötig, die die gemeinsame Sicherheit in den Mittelpunkt rücke.
Militär und Rüstungsindustrie verbrauchten zudem "ungeheure Mengen an fossilen Stoffen" und heizten "die Klimakatastrophe weiter an", so Claussen. Regierungen und Weltklimarat bildeten bislang diesen CO2-Fußabdruck nicht in ihren Bilanzen ab. Als Beispiel nannte die IPPNW-Vorsitzende die CO2-Emissionen eines Eurofighters. Der Kampfjet verbrauche in einer Flugstunde 3.500 Kilogramm Treibstoff, das entspreche elf Tonnen CO2-Äquivalente. Ein Eurofighter habe etwa 10.480 Flugstunden. Um das dabei freigesetzte CO2 zu speichern, seien mehr als neun Millionen Bäume nötig, so Claussen.
Laut dem schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri haben die globalen Rüstungsausgaben einen neuen Höchststand erreicht. Weltweit wurden demnach 2020 insgesamt 1,981 Billionen US-Dollar (etwa 1,644 Billionen Euro) für das Militär ausgegeben. Am meisten gaben die USA, China, Indien, Russland und Großbritannien für Waffen und Streitkräfte aus. Deutschland liegt mit Militärausgaben von 52,8 Milliarden US-Dollar auf Platz sieben und wies den stärksten Zuwachs (5,2 Prozent) unter den ersten zehn Ländern auf.