Salzgitter (epd). 35 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sieht das Bundesamt für Strahlenschutz Deutschland deutlich besser auf einen Atomunfall vorbereitet als damals. Als Reaktion auf den verheerenden Unfall in der Nordukraine sei unter anderem das Messnetz zur Überwachung der Umweltradioaktivität weiter ausgebaut worden, teilte die Behörde am Freitag in Salzgitter mit. Damit sei ein Frühwarnsystem geschaffen worden, um im Fall eines radiologischen Notfalls rasch und angemessen handeln zu können.
Mit dem Strahlenschutzgesetz von 2017 wurden dem Bundesamt zufolge auch die Vorkehrungen für radiologische Notfälle weiterentwickelt. Das Gesetz sehe unter anderem den Aufbau eines Radiologischen Lagezentrums des Bundes vor, in dem im Notfall Expertise gebündelt, Entscheidungen vorbereitet und Maßnahmen koordiniert würden.
Zusätzlich sei ein gemeinsames Integriertes Mess- und Informationssystem in der Zuständigkeit des Bundes geschaffen worden, hieß es weiter. Luft, Oberflächengewässer, Lebensmittel, Futtermittel, Böden, Trink- und Grundwasser sowie Abfälle würden umfassend und schnell beprobt und analysiert. Teil dieses Systems sei eine flächendeckende Radioaktivitätsüberwachung rund um die Uhr mithilfe von mehr als 1.800 automatischen Sonden.
"Deutschland hat aus der Katastrophe von Tschernobyl und auch aus dem Reaktorunglück in Fukushima gelernt", sagte die Präsidentin des Bundesamtes, Inge Paulini. Der Unfall vom 26. April 1986 gilt als bislang schwerster in der Geschichte der Kernkraftnutzung. Dabei wurden große Mengen Radioaktivität freigesetzt. Sie breiteten sich in den darauffolgenden Tagen auch in Richtung Deutschland aus.
Die radioaktiven Stoffe lagerten sich unter anderem in Wäldern, auf Feldern und Wiesen ab, was damals insbesondere in Süddeutschland zu hohen Jod-131-Konzentrationen in der Kuhmilch und erntereifem Blattgemüse führte. Im Bayerischen Wald und südlich der Donau wurden wetterbedingt pro Quadratmeter bis zu 100.000 Becquerel an radioaktivem Cäsium-137 abgelagert, teilweise sogar mehr. Wildbret und Pilze aus der Region sind bis heute mit Strahlung belastet. Die Einheit Becquerel gibt die Anzahl der radioaktiven Zerfälle pro Sekunde an.