TV-Tipp: "Tatort: Der böse König" (ARD)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Der böse König" (ARD)
11.4., ARD, 20.15 Uhr
Im ganz vorzüglichen letzten Sonntagskrimi von Autor und Regisseur Martin Eigler waren die Ermittler bloß Nebendarsteller. Titelfigur von "Der Mann, der lügt" (2018), einem "Tatort" aus Stuttgart, war ein Verdächtiger, der sich immer tiefer in ein Netz aus Lügen verstrickte. Der Österreicher Manuel Rubey verkörperte diese zentrale Rolle mit einer johnnydepphaften Jungenhaftigkeit, die umso faszinierender war, weil die charmante Fassade nach und nach zerbröselte.

Die Behauptung, Eigler habe diese Geschichte nun mit "Der böse König" ein zweites Mal erzählt, wäre nicht korrekt, aber auch nicht völlig falsch, zumal Christopher Schärf seine Titelfigur ganz ähnlich anlegt wie Landsmann Rubey: attraktiv, jugendlich, zuvorkommend, verführerisch; und höchst manipulativ. Außerdem würde Schärf, am ehesten als mysteriöser Verehrer der Kommissarin in der ZDF-Reihe "Die Toten vom Bodensee" bekannt, bei jedem Johnny-Depp-Ähnlichkeitswettbewerb den ersten Platz belegen; und zwar noch vor Depp selbst.

Die Handlung beginnt mit dem klassischen Leichenfund: Sandro Esposito, Besitzer eines Ludwigshafener Spätkaufs, ist in seinem Laden mit dem eigenen Baseballschläger erschlagen worden. Raubmord kann ausgeschlossen werden, der Täter hat den Inhalt der Kasse auf das Opfer geschüttet. Ein bizarres Detail deutet zudem auf ein persönliches Motiv: Esposito wäre zwar auch an den Folgen der Schläge gestorben, aber er ist erstickt; in seiner Luftröhre finden sich 73 Cent. Die Befragungen der Kommissarinnen Odenthal und Stern (Ulrike Folkerts, Lisa Bitter) führen schließlich zu drei Verdächtigen: Espositos Vorgänger (Özgür Karadeniz) als Pächter des Geschäfts hatte offenbar noch eine Rechnung mit dem Opfer offen; der grobschlächtige Jannik Berg (Pit Bukowski) ist mit der Tatwaffe gesehen worden; und schließlich Anton Maler (Schärf), der sich lieber Antoine nennen lässt. Alle drei waren nachweislich im Laden und beschuldigen sich im Verlauf der Vernehmungen gegenseitig.

Die Ermittlungen konzentrieren sich allerdings mehr und mehr auf Maler, wenn auch weniger, weil sich neue Verdachtsmomente ergeben. Der Mann macht aus jeder Befragung einen Auftritt und legt es offensichtlich darauf an, dass sich die Polizistinnen intensiv mit ihm beschäftigen, zumal er Stern ganz unverblümt anflirtet. Tatsächlich liegt in diesem Zweikampf der eigentliche Reiz des Films, denn je intensiver sich die zur Fallanalytikerin ausgebildete Stern mit Maler auseinandesetzt, um so widersprüchlicher wird dieser Mann, der angeblich eine französische Mutter hat (daher Antoine,) Jura und Psychologie studiert haben will und nun als Programmierer von Internetauftritten arbeitet. Nebenbei kümmert er sich vorbildlich um seine Freundin Caro (Lana Cooper), die an einer rätselhaften Krankheit leidet. Dank Sterns Analyse seiner Mikroexpressionen während der Befragung – mimische Reaktionen wie etwa eine Veränderung der Pupillen, die sich nicht beeinflussen lassen – kommt die Kommissarin dem wahren Kern von Malers Persönlichkeit immer näher. Als er sich in die Enge getrieben fühlt, dreht er den Spieß rum; auf diese Weise gerät am Ende sogar Sterns kleine Tochter in Gefahr.

Bei aller Faszination der psychologischen Ebene: Wie schon in früheren Filmen wirkt es nicht immer glaubwürdig, wenn sich die beiden Kommissarinnen gegenseitig den Fall erklären und einander mit Fachbegriffen wie "massive narzisstische Störung", "Grandiositätsverlangen" oder "psychopathische Störung" übertrumpfen. Abgesehen vom letzten Akt, als auch Caros Leben auf dem Spiel steht, ist "Der böse König" außerdem gänzlich unspannend; dabei war Eigler als Autor und/oder Regisseur an den meisten der fast ausnahmslos fesselnden Episoden der ZDF-Krimireihe "Stralsund" beteiligt. Bei der Umsetzung seines Drehbuchs zu "Der böse König" ist jedoch nur die Bildgestaltung wirklich sehenswert, und das nicht nur wegen des hochsommerlichen Lichts, in das Kameramann Schäfauer den Krimi getaucht hat. Gerade den Innenaufnahmen liegt ein sichtbares ästhetisches Konzept zugrunde. Hier ein warmes Orange, dort ein giftiges Grün: Die Farbgebung steht nicht nur für Sympathieverteilung, sie signalisiert auch, dass Maler in einer eigenen Welt lebt. Die Ausstattung sorgt ebenfalls dafür, dass der Film für einen "Tatort" überraschend bunt ist. Typisch für den niedrigen Spannungsgrad des Films ist eine Szene, in der die Polizistinnen mit gezückten Waffen und hochkonzentriert die Wohnung von Berg durchsuchen; und dann sitzt der Mann ganz entspannt auf seinem Sofa. Das kann selbst die gute Musik (Jens Grötzschel) nicht mehr retten.