Datenreport 2021: Corona-Pandemie erhöht soziale Ungleichheit

Datenreport 2021: Corona-Pandemie erhöht soziale Ungleichheit
Die Corona-Pandemie macht die Menschen nicht gleicher, sondern ihre Lebenssituation noch ungleicher. Was viele in ihrem eigenen Alltag erleben, wird durch erste Datenauswertungen von den Statistikern bestätigt.

Berlin (epd). Die Corona-Pandemie droht die soziale Ungleichheit in Deutschland zu verschärfen. Der am Mittwoch in Berlin vorgestellte Datenreport 2021 liefert erste Erkenntnisse über finanzielle Probleme und Bildungsnachteile für Kinder in einkommensarmen Haushalten. Wer unter die Armutsschwelle rutscht, hat es außerdem immer schwerer, wieder mehr Einkommen zu erzielen. Der Anteil dauerhaft von Armut bedrohter Menschen an allen Armen beträgt inzwischen 44 Prozent. Das ist doppelt so viel wie Ende der 90er Jahre.

Der Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung, Thomas Krüger, nannte die Ergebnisse "bedrückend" und bilanzierte: "Die bundesdeutsche Gesellschaft ist durch Corona ungleicher geworden." Die Pandemie wirke sich nicht als große Gleichmacherin aus, wie es anfangs angenommen worden sei, sagte Krüger. Vielmehr sei die soziale Ausgangslage entscheidend für die Auswirkungen auf die Bevölkerungsgruppen.

Schon vor Corona waren die ungleichen, stark von der sozialen Herkunft abhängenden Bildungschancen in Deutschland ein Dauerthema. Beim Homeschooling wird das auch bei der Ausstattung sichtbar. Dem Report zufolge haben Familien mit einem Monatseinkommen von 5.000 bis 18.000 Euro vier Computer, Familien mit weniger als 2.000 Euro im Durchschnitt zwei.

Der regelmäßig erscheinende Datenreport wird herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel. Er gibt Auskunft über die Lebensverhältnisse und in diesem Jahr auch über die Folgen der Corona-Pandemie.

Gutverdiener hatten den Angaben zufolge häufiger Einkommenseinbußen, aber die finanziellen Sorgen sind bei den Geringverdienern deutlich größer. Fast jeder Fünfte berichtete für Ende März bis Anfang Juli 2020 von finanziellen Schwierigkeiten, konnte also etwa Kredite nicht mehr bedienen. Bei den Facharbeiter-, Meister- und qualifizierten Angestelltenberufen fielen die Anteile mit rund neun Prozent deutlich niedriger aus.

Am häufigsten berichteten Alleinerziehende (25 Prozent) von finanziellen Problemen, bei Paarhaushalten waren es nur sechs Prozent, wie es hieß. Am zweithäufigsten gerieten Selbstständige in Geldnot (20 Prozent). Hinzu kommt, dass etwa Minijobber, zumeist Frauen, kein Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld bekommen.

Erhebungen zum Homeoffice bestätigen die sozialen Unterschiede. In fast zwei Dritteln der Berufe im oberen Einkommensdrittel lag der Homeoffice-Anteil im Frühjahrs-Lockdown 2020 bei mindestens 20 Prozent. Im unteren Drittel, zu dem viele der "Corona-Helden" zählen, betrug in rund der Hälfte der Jobs der Homeoffice-Anteil weniger als sechs Prozent.

Dem Report zufolge lebte 2018 fast jeder Sechste (15,8 Prozent) unterhalb der Armutsrisikoschwelle, die für einen Ein-Personen-Haushalt in dem Jahr bei 1.040 Euro Netto im Monat lag. Das Armutsrisiko sank damit gegenüber dem Vorjahr (17,3 Prozent), liegt aber weiter deutlich über dem Anteil von elf Prozent Ende der 90er Jahre - und es verfestigt sich. Von den Personen, deren Einkommen im Jahr 2018 unter der Armutsrisikoschwelle lag, befanden sich 44 Prozent schon vier Jahre in dieser Lage. Das Risiko, in Armut zu leben, ist besonders hoch für Alleinerziehende (41 Prozent), Geringqualifizierte (35 Prozent) und Menschen mit Migrationshintergrund (29 Prozent).

Der Datenreport zeigt auch, wie die Bevölkerung auf das hohe Ausmaß sozialer Ungleichheit reagiert. Nur knapp die Hälfte sieht das eigene Bruttoeinkommen noch als gerecht an. Eine Mehrheit findet Niedriglöhne ungerecht. Und eine Mehrheit ruft inzwischen deshalb nach dem Staat: Drei Viertel der Westdeutschen wollen, dass mehr getan wird zur Verringerung der Einkommensunterschiede; 2002 war es noch weniger als die Hälfte. In Ostdeutschland sind es rund 80 Prozent.