Experten nennen sie die "Schwabenformel": Die Statuten des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg (EJW) sehen vor, dass die Organisation "selbständig im Auftrag" der Evangelischen Landeskirche in Württemberg arbeitet. Eine Kombination, die eigentlich nicht geht, denn entweder man ist selbstständig oder man ist abhängig von einem Auftraggeber. Funktioniert hat das Konstrukt in den vergangenen Jahrzehnten dennoch, heute erreicht das EJW als größter konfessioneller Jugendverband in Baden-Württemberg jährlich rund 306.000 junge Menschen mit regelmäßigen und 462.000 mit einmaligen Angeboten.
Gleich drei Gründe hat das EJW in diesem Jahr zu feiern. Erstes Jubiläum ist die Fusion von Evangelischem Jungmännerwerk und Evangelischem Mädchenwerk in Württemberg vor 50 Jahren. Gesellschaftlich ging damals der Trend weg von der Geschlechtertrennung in der Jugendarbeit, dem folgte das EJW dann 1971 in seinen Strukturen.
Das zweite Jubiläum ist die Neuordnung der Evangelischen Jugendarbeit in Württemberg nach dem Zweiten Weltkrieg. Brauchte die Jugendarbeit zur Zeit des Nationalsozialismus stärker den landeskirchlichen Schutz, so konnte sie 1946 wieder in die Eigenständigkeit entlassen werden. Die "Schwabenformel" verband die neue Freiheit mit der bleibenden Beauftragung durch die Landeskirche: "selbständig im Auftrag..."
"Beweglich wie Schnellboote"
Drittes Jubiläum ist der Zusammenschluss der christlichen Turn- und Sportbünde vor 100 Jahren, die sich dann 1925 die Bezeichnung "Eichenkreuz-Verband für Leibesübungen der Evangelischen Jungmännerbünde Deutschlands" gab. Damals betrachtete man Sport als wichtigen Bestandteil eines christlichen Lebensstils. Diesen Gedanken gab es besonders stark im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM), mit dem das EJW bis heute eng verbunden ist.
Über den Status des EJW in der Landeskirche haben sich führende Köpfe in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Gedanken gemacht. Theo Sorg, ehemals Leiter des Jungmännerwerks und später württembergischer Landesbischof, wagte folgenden Vergleich: Ist die Institution Kirche ein großer Tanker, so "müssten die freien Werke und Gruppen, wenn sie sich recht verstehen und angemessene Strukturen haben, kleinen und beweglichen Schnellbooten zu vergleichen sein." Hans von Keler, ebenfalls früherer Landesbischof und Ex-Leiter des Mädchenwerks, brachte das Gelingen auf folgende Formel: "Konsens und nicht Konfrontation".
"Juristisch unmögliche Formel"
Hermann Hörtling, zuletzt Vorsitzender des EJW-Fördervereins, nennt die Formel "juristisch unmöglich, aber praktikabel bis heute". Während die Jugendarbeit eher die Selbstständigkeit betone, weise der Oberkirchenrat gerne auf das "im Auftrag" hin. "Die viel zitierte Formel erlebte ich als Machtkampf, wenn persönliche Beziehungen 'kriselten'", schreibt Hörtling in einem Rückblick.
An diesem Sonntag (7. März) eröffnet das EJW seine drei Jubiläen um 17 Uhr mit einem Online-Gottesdienst aus dem Bernhäuser Forst bei Stuttgart. Unter den Mitwirkenden sind Württembergs Landesbischof Frank Otfried July, EJW-Leiter und Pfarrer Cornelius Kuttler sowie ein Popchor mit Band und Bläsern. Die Veranstalter wünschen sich "Wohnzimmergottesdienste", bei denen EJW-Freunde unter Beachtung geltender Corona-Bestimmungen gemeinsam nach einem Nachmittagskaffee die Feier verfolgen. Das Ende wird gegen 18.15 Uhr sein.