Berlin/Dessau-Roßlau (epd). Mit München und Hamburg haben 2020 nur noch zwei deutsche Städte den Stickstoffdioxid-Grenzwert in der Luft gerissen. Insgesamt sei bundesweit eine deutlich niedrigere Schadstoffbelastung als in den Vorjahren gemessen worden, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstag in Berlin. Der Rückgang lasse sich zum Teil auch durch die Einschränkungen in der Corona-Pandemie erklären, folge aber einem langfristigen Trend.
Besonders deutlich werde dies bei den Dieselfahrzeugen. Seit verbesserte Filter und Motoren sowie eine effizientere Software eingesetzt würden, sei der Erfolg messbar, so die Ministerin - und zwar "nicht nur auf dem Papier", wie Schulze mit Blick auf den Dieselskandal ergänzte. 2018, bei ihrem Dienstantritt, sei die Lage um einiges angespannter gewesen. Mögliche Fahrverbote hätten die Debatte bestimmt. Zu Hochzeiten seien in 57 Städten Grenzwertüberschreitungen registriert worden.
Noch lägen die endgültigen Zahlen für 2020 nicht vor, aber die Zahl der Kommunen mit großen Luftproblemen werde zehn kaum überschreiten, prognostizierte der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner. Selbst in diesen Städten lägen die Daten nicht mehr viel über den Grenzwerten. Vor allem moderne Dieselfahrzeuge hätten zur Luftverbesserung beigetragen, erklärte er. Etwa zur Hälfte sei dabei die bessere Luft auf die Erneuerung der Fahrzeugflotte und zu 25 Prozent auf verbesserte Software zurückzuführen. Der um 20 bis 50 Prozent verringerte Verkehr im ersten Lockdown im März und April 2020 habe etwa ein Viertel der Rückgänge bei den Stickoxiden bewirkt.
Diese Reduzierung des Verkehrs auf den Straßen habe gezeigt, was möglich ist, erklärte Schulze. Diese Entwicklung müsse und könne fortgesetzt werden. Neben strengen Abgasvorschriften will die Ministerin dabei auf eine weitere Verkehrberuhigung in den Innenstädten und den Einsatz moderner Elektrofahrzeuge im Öffentlichen Personennahverkehr setzen. Bereits heute seien etwa 1.500 Elektrobusse in Deutschland unterwegs. Vor drei Jahren seien es ungefähr nur 100 gewesen.
Größere Anstrengungen forderte Messner trotz des stetigen Rückgangs bei den Feinstaub-Belastungen. Auf sie seien laut Europäischer Umweltagentur 2018 etwa 63.100 Todesfälle in Deutschland zurückzuführen, sagte der UBA-Präsident. Die Verbesserung der Luftqualität beim Feinstaub gehe vor allem auf die Reduktion der Auspuffemissionen durch Partikelfilter zurück. Dagegen stiegen die Belastungen aus dem Abrieb von Reifen, Bremsen und Straßenbelag an, da auch die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge zunehme. Bedeutendste Feinstaub-Quelle sei inzwischen die Holzfeuerung.
Die Grenzwerte für Feinstaub bedürfen aus der Sicht Messners, der sich dabei auch auf Forderungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina berief, einer Anpassung an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse. So überarbeite die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gerade ihre Empfehlungen. Aber selbst dem aktuellen WHO-Wert sei 2020 an etwa vier Prozent (2019: 13 Prozent) aller Messstationen nicht entsprochen worden. Bei der Gruppe der kleineren Schadstoff-Partikel hätten sogar 86 Prozent aller Stationen den Grenzwert verfehlt, sagte der UBA-Präsident.