Brüssel, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Deutschland in einem Prozess freigesprochen, in dem es um die Aufarbeitung des Nato-Luftangriffes mit zivilen Opfern bei Kundus im September 2009 ging. Der Fall betraf nicht den Angriff an sich, sondern Deutschlands Pflicht zu dessen Aufklärung mit Blick auf zwei getötete Kinder, wie aus der Mitteilung des Straßburger EGMR vom Dienstag hervorgeht. Das Gericht kam zu dem Schluss, "dass die Untersuchung der deutschen Behörden zum Tod der beiden Söhne des Beschwerdeführers den Anforderungen an eine wirksame Untersuchung" entsprochen habe. (AZ: 4871/16)
Kläger beim Straßburger Gericht war der Afghane Abdul Hanan. Er hatte bei dem Luftangriff der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 in der Nähe des afghanischen Kundus seine acht und zwölf Jahre alten Söhne verloren. Taliban-Kämpfer hatten zuvor zwei Tanklastwagen entführt. Der Bundeswehroberst Georg Klein forderte deswegen Luftunterstützung an. Daraufhin zerstörten zwei US-Kampfflugzeuge die Tanklaster. Dabei kam eine ungeklärte Anzahl von Menschen ums Leben. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) geht von "vermutlich" mehr als hundert Toten und Verletzten aus, die meisten von ihnen Zivilisten. Das ECCHR unterstützte Hanans Klage vor dem EGMR wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles und weil die Ermittlungen und Entscheidungen der Bundesanwaltschaft in Deutschland unzureichend gewesen seien.
Im Dezember 2020 hatte bereits das Bundesverfassungsgericht zu dem Angriff geurteilt. Es entschied, dass Deutschland den Angehörigen der getöteten zivilen Opfer keinen Schadenersatz zahlen müsse. Betroffene können nach dem Völkerrecht keine unmittelbare Entschädigungs- und Ersatzansprüche geltend machen.