Opfer-Anwalt rechnet mit Haftstrafe für syrischen Geheimdienstler

Opfer-Anwalt rechnet mit Haftstrafe für syrischen Geheimdienstler
Menschenrechtler kritisieren mangelnde Zugänglichkeit für syrische Gemeinschaft
Erstmals müssen sich in Deutschland Ex-Geheimdienstfunktionäre der syrischen Regierung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Von einem ersten Urteil in der kommenden Woche erhoffen sich Menschenrechtler eine Signalwirkung.

Berlin, Koblenz (epd). Menschenrechtler erwarten, dass in der kommenden Woche erstmals ein früherer syrischer Geheimdienst-Mitarbeiter wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Im Prozess gegen Eyad A. vor dem Oberlandesgericht Koblenz rechne er mit einer Haftstrafe von vier bis fünf Jahren, sagte Patrick Kroker von der Berliner Menschenrechtsorganisation "European Center for Constitutional and Human Rights" (ECCHR) am Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz. Das Oberlandesgericht will das Urteil gegen Eyad A. am 17. Februar verkünden.

In dem im vergangenen April aufgenommenen Prozesses habe es zahlreiche sehr glaubwürdige Zeugenaussagen gegeben, erklärte der Rechtsanwalt Kroker, der in dem Prozess Folterüberlebende vertritt. Eyad A. habe als Hauptfeldwebel zwar nicht viel Verantwortung innegehabt. Andererseits habe er aber bereits seit 1994 im Geheimdienst gedient und habe die dortigen Menschenrechtsverletzungen mitgetragen. Insgesamt liege der Ermessensspielraum des Gerichts bei dem Urteil zwischen sechs Monaten und elf Jahren und drei Monaten, sagte Kroker.

ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck kritisierte, das Gericht werde der großen Bedeutung des Prozesses für die syrische Gemeinschaft und den Staat Syrien nicht gerecht. "Für uns ist von besonderer Bedeutung, dass hier vor einem Provinzgericht ein Strafprozess stattfindet, der aber seine Legitimation aus dem Völkerstrafrecht bezieht." Dennoch habe das Gericht erst eine arabische Übersetzung für die Zuschauer des Prozesses zugelassen, nachdem das ECCHR das Bundesverfassungsgericht angerufen habe. Es werde zu wenig getan, um den Prozess für die syrische Gemeinschaft zugänglich zu machen und zu dokumentieren. "Da gibt es großen Nachholbedarf".

Kaleck bemängelte zudem die fehlende Strafverfolgung sexualisierter Gewalt als Teil von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es müsse deutlich werden, dass es sich um systematische Verbrechen und nicht um Exzesse einzelner Täter gehandelt habe.

Die syrische Menschenrechtsanwältin und ECCHR-Mitarbeiterin Joumana Seif betonte die Bedeutung des Prozesses als "ersten Schritt auf dem Weg zu Gerechtigkeit". Das Verfahren habe Vorbildcharakter für weitere Prozesse. Seit April müssen sich mit Eyad A. und Anwar R. erstmals in Deutschland zwei Ex-Geheimdienstfunktionäre der syrischen Regierung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Das Verfahren gegen Eyad A. wurde abgetrennt. Der Prozess gegen den Hauptangeklagten Anwar R. wird fortgesetzt.

Die beiden Angeklagten sollen für brutale Folter und den Tod zahlreicher Menschen in einer Haftanstalt des Geheimdienstes verantwortlich gewesen sein. Die beiden Beschuldigten hatten Syrien laut Bundesanwaltschaft vor rund sieben Jahren verlassen und waren 2014 beziehungsweise 2018 nach Deutschland gekommen. Sie wurden im Februar 2019 festgenommen.

Nach dem Weltrechtsprinzip können Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall geahndet werden, ganz gleich, wo die Taten verübt wurden. In Deutschland ist dies durch das Völkerstrafgesetzbuch von 2002 geregelt. ECCHR betreut in dem Verfahren 16 Frauen und Männer aus Syrien, die als Zeugen oder Nebenkläger auftreten.